Demonstranten in Kairo, 2011

AFP/MAHMUD HAMS

"Stadt der Rebellion" von Omar Robert Hamilton

Ein einzigartiges Dokument der Zeitgeschichte rund um die Demonstrationen am Tahrir-Platz in Kairo.

Mariam und Khalil stehen im Mittelpunkt des Romans von Omar Robert Hamilton. Sie sind ein Liebespaar und gemeinsam unterstützen sie zu Beginn des Jahres 2011 voller Euphorie die Revolution auf den Straßen Kairos. Sie demonstrieren, kümmern sich um Verletzte und dokumentieren die Vorgänge im Chaos-Medienkollektiv, das sie mit anderen Aktivisten und Aktivistinnen gegründet haben.

Arabischer Frühling

Der Roman beginnt im Oktober 2011. Präsident Mubarak ist neun Monate zuvor zurückgetreten, ein Militärrat hat die Macht übernommen. Und die Armee schießt bereits wieder auf Demonstranten. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft bekommt erste Risse.

2011 konnte wir Erfolge verbuchen: die Polizei verschwand von den Straßen, plötzlich spürte man, wie die Stadt zum Leben erwachte...

Omar Robert Hamilton war in den Tagen der Hoffnung nach Kairo gekommen. Aufgewachsen in London als Sohn einer ägyptisch-palästinensischen Mutter und eines englischen Vaters kannte er Ägypten von den jährlichen Besuchen bei Verwandten. Er ist Filmemacher, spricht Arabisch. Als ihn die Nachricht von den Ereignissen rund um den Tahrir-Platz erreicht, muss er gerade in die USA.

Sofort nach seiner Rückkehr reist er weiter in die ägyptische Hauptstadt und wird zum Chronisten der Revolution. Er erlebt die Situation wie Generationen vor ihm den Pariser Mai 1968 erlebt hatten. Hamilton ist glücklich, in diesen Tagen und Monaten, in denen Geschichte geschrieben wird, hautnah mit dabei zu sein.

Geschichte twittern

Das Chaos-Medienkollektiv des Romans hat ein reales Vorbild. Anfang dieses Jahres hat es sein Archiv online gestellt, 858 Stunden Filmmaterial. Zu Beginn der Revolution wurde vieles davon von immer mehr Nutzern heruntergeladen: Videos, Podcasts und Tweets, die die Ereignisse dokumentierten und befeuerten. Neben Nachrichtenmeldungen, Schlagzeilen, Parolen oder Graffitis, durchziehen auch diese Tweets den Roman.

Sie sind ganz nah an der Realität. Mit den Tweets kann ich das zeigen. Insbesondere, weil ich glaube, dass sie die kollektive Erinnerung wiedergeben.

"Stadt der Rebellion" ist ein mitreißender Roman - und ein einzigartiges Dokument der Zeitgeschichte. Die realen Ereignisse hält der Autor fest, indem er eine Vielzahl von Figuren in rasanten Schnitten und Dialogen zu Wort kommen lässt - witzig, würdevoll, poetisch. Man leidet und hofft mit ihnen, man ist benommen von der Sinnlichkeit der Stadt, riecht das Tränengas, erschrickt vor Gewalt, begräbt unter Tränen die Hoffnung.

Den Toten und Überlebenden des Aufstands gewidmet, würdigt der Roman Mut und Schmerzen all jener, die für ein freies Ägypten kämpften. So poetisch kann Geschichtsschreibung sein, so aufregend Literatur.

Service

Omar Robert Hamilton: "Stadt der Rebellion", Wagenbach Verlag

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