Gernot Blümel

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Nach der Medien-Enquete

Große Visionen und kleine Schritte

Was bleibt von der Medienenquete, bei der so viel von Allianzen gegen die Internet-Riesen aus dem Silicon Valley die Rede war? Der Wille aller Akteure zur Kooperation - und am Ende wohl auch der gesetzliche Auftrag dazu an den ORF. Der wiederum hat eine Reihe von Angeboten an die Mitbewerber in diese Richtung gemacht und auch erste Schritte gesetzt. Offen bleibt, wie es mit der Gebührenfinanzierung des ORF weitergeht.

Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) war auch nach der Enquete zu keiner klaren Antwort auf die Gebührenfrage zu bewegen, diese Frage habe sich nicht gestellt, sagt Blümel. Dabei stellt sein freiheitlicher Koalitionspartner diese Frage immer wieder. Aktuell hat FPÖ-Obmann Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf Puls4 betont: "Ja, es ist mein klares Ziel, die ORF-Zwangsgebühren abzuschaffen. Die sind nicht mehr zeitgemäß.“

Marietta Slomka

ZDF/THOMAS MORICE

Marietta Slomka

ORF-Gebühr bleibt Zündstoff

Bei der Medienenquete, auf die Strache auch verwiesen hat, waren praktisch alle anderer Meinung: Der Chef von Turner International, Gerhard Zeiler, hat davor gewarnt, die Gebührenfinanzierung zu kippen – das gefährde die Unabhängigkeit des ORF. Zeiler war in den 1990er Jahren ORF-Generalintendant und war dann lange RTL-Chef. Im Vorfeld der Enquete, bei den Journalismustagen, hat ZDF-Moderatorin Marietta Slomka eindrücklich geschildert, was die Alternative – Finanzierung des ORF aus dem Budget – für Folgen hätte.

Slomka: Ende der Unabhängigkeit

Slomka hat in ihrer vielbeachteten Rede zum Thema "Macht die Politik den Journalismus kaputt?“ gesagt: "Die Führungsriege des ORF darf dann jährlich bei Kanzler oder Innenminister antreten und um Geld betteln. Man kann sich leicht vorstellen, wie frei sich Redakteure dann noch fühlen werden. Da braucht es dann noch nicht mal Anweisungen. Da funktioniert die Schere im Kopf von allein.“ Das wäre dann das Ende der Unabhängigkeit, so Slomka.

Keine Freude in den ÖVP-Ländern

In der ÖVP ist man von der Idee, die ORF-Gebühren abzuschaffen, auch nicht begeistert. Das hat zwei Gründe: Die Bundesländer reden über ihre insgesamt neun Vertreter im Stiftungsrat im ORF mit. Würde dem Stiftungsrat die Gebührenhoheit genommen und durch eine Budgetfinanzierung ersetzt, dann hätte die Parlamentsmehrheit das Sagen - die Stiftungsräte wären aus dem Spiel. Das käme einer Entmachtung der Länder auf diesem Weg gleich.

Angst vor dem Koalitionskrach

Und die Bundesländer - ausgenommen Vorarlberg und Oberösterreich, die auf einen Aufschlag verzichten - naschen an der GIS-Gebühr mit. Sie kassieren in Summe 150 Millionen Euro aus diesem Titel, die lassen sie sich nicht so einfach wegnehmen. Gernot Blümel weiß das alles. Er weiß auch, was das für ein mühsamer politischer Kraftakt in den eigenen Reihen wäre - er will das aber öffentlich nicht diskutieren, weil es Krach in der Koalition bedeuten würde.

ORF-Attacke vor AfD in Thüringen

Wie manche in der FPÖ in der Frage ORF denken, lassen Aussagen des oberösterreichischen Landesrats Elmar Podgorschek erahnen, der Anfang Mai bei einer AfD-Veranstaltung in Thüringen gesagt hat: "Was wir unbedingt durchführen müssen, ist eine Neutralisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch auf die Gefahr hin, dass uns eine sogenannte Orbanisierung vorgeworfen wird.“ Der Vortrag wurde von der Wiener Stadtzeitung "Falter" publik gemacht.

Werbeplattform und Österreich-Player

Was es gibt, das sind konkrete Schritte in Richtung Zusammenarbeit. Bereits im Herbst könnte eine digitale Vermarktungsplattform des ORF mit den Zeitungen starten. Der ORF will mit seiner Reichweite im Netz auch einen Österreich-Player unterstützen, über den alle Medien des Landes ihre Inhalte - ob Video, Audio oder Text - ausspielen können. Dazu müssten die Online-Beschränkungen für den ORF aufgehoben werden, die Zeichen dafür stehen sehr gut. Und es könnte auch die kostengünstige Bereitstellung von Bewegtbild durch den ORF für Zeitungen und Privatsender ausgebaut werden.

Wer darf das ORF-Archiv nutzen?

Was für ORF-Chef Alexander Wrabetz nicht in Frage kommt, ist die Verwertung von ORF-Produktionen durch Privatsender, wie es etwa Wolfgang Fellner mit seiner oe24-Plattform gern hätte. Dagegen gibt es auch rechtliche Bedenken. Wie dieses Match ausgeht, ist trotzdem offen. Der Medienminister hat wiederholt Sympathie dafür geäußert, ORF-Produktionen - vielleicht nach einer gewissen Abkühlzeit - auch im Privatfernsehen zu zeigen.

Kooperationsauftrag ins Gesetz

In einem Punkt hat sich Gernot Blümel mehr oder weniger festgelegt, nämlich was Übertragungsrechte im Sport betrifft - der Hebel soll offenbar ein Kooperationsauftrag im neuen ORF-Gesetz werden, das 2019 kommen soll. Blümel: "Zum Beispiel wenn es um Sportrechte geht: Da hat ja Gerhard Zeiler bei der Medienenquete auch vorgeschlagen, dass der ORF nicht mit Gebührengeld in Konkurrenz zu Privaten solche Rechte erwerben soll - vielleicht sollte man gemeinsam als Österreich bieten."

Gerhard Zeiler

Gerhard Zeiler

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Keine Facebook-Werbung in der ZIB

Die ORF-Führung hat zwei weitere bemerkenswerte Vorstöße gemacht. Noch während der Medienenquete ist die Ankündigung gekommen, dass sich der ORF aus Facebook und anderen Sozialen Medien zurückziehen werde - nicht komplett, aber doch deutlich sichtbar. Zum Beispiel gibt es in der Zeit im Bild ab sofort den Hinweis auf den erfolgreichen Facebook-Auftritt der ZIB nicht mehr - das haben Mitbewerber wie Markus Breitenecker von Puls4 immer wieder kritisiert. Weil es Werbung für ein anderes Medium sei.

Social-Media-Auftritte gestrafft

Dieser Kritik hat der ORF mit dem Start der neuen Social-Media-Strategie jetzt den Wind aus den Segeln genommen. Keine Werbung mehr für Facebook in ORF-Medien und eine drastische Reduktion der Auftritte - von rund 70 ORF-Facebook-Seiten sollen nur rund 15 bleiben, darunter die sehr starken Auftritte von Ö3 und der ZIB. Für den Dialog mit den Hörern und Sehern wird Facebook weiter genutzt, sagt ORF-Chef Wrabetz: "Wir haben bis 2010 eigene Möglichkeiten zur Debatte im Netz gehabt, das wurde gesetzlich stark eingeschränkt. Daher verwenden wir Facebook als Rückkanal.“

Mehr österreichische Musik auf Ö3

Der zweite Vorstoß betrifft die Musikwirtschaft – mit der ist soeben die Erhöhung des Anteils österreichischer Musik in den ORF-Radioprogrammen vereinbart worden. Bis 2021 sollen die drei bundesweiten und die neun regionalen ORF-Radios zu 33 Prozent Musik aus österreichischer Produktion spielen. Das Flaggschiff mit der größten Reichweite Ö3 erhöht von den bisher vereinbarten 15 auf 18 Prozent und in der Kernzeit auf 15 Prozent. Radio Wien steigert den Anteil von derzeit 11 auf 15 Prozent, und es wird auch im Fernsehen auf ORF III eine Sendeleiste mit Musik aus Österreich geben.

Blümel: Erfolg des neuen Diskurses

Der ORF setzt damit ein klares Signal, dass man die Intention des schwarz-blauen Regierungsprogramms ernst nimmt. Dort steht, dass die österreichische Identität in den Sendungen des ORF gestärkt werden soll, das passiert jetzt mit der Erhöhung des Musikanteils ausdrücklich auch in der Kernzeit in der Früh und untertags. Diese Kernzeit ist zwar großzügig bemessen und entspricht nicht der Radio-Primetime im engeren Sinn. Aber die Musikwirtschaft ist froh, Ö3 muss damit leben, und der Medienminister hat einen ersten greifbaren Erfolg: "Dass das auf diese Art und Weise möglich ist, führe ich auch auf den neuen medienpolitischen Diskurs zurück", so Gernot Blümel.

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Journalismustage - Keynote von Marietta Slomka

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