Uniform aus dem 1. Weltkrieg

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Jaroslav Hasek

"Die Anderen wollen!" - "Schwejk" in zwölf Teilen

"Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk" von Jaroslav Hasek in zwölf Teilen, ab 15. Juli jeweils sonntags um 16:00 Uhr und montags um 21:00 Uhr.

Der Prager Schriftsteller Jaroslav Hasek wurde um 1910 kurzfristig und langfristig zu einer Berühmtheit. Kurzfristig, weil er für die Zeitschrift "Welt der Tiere" Artikel über erfundene Lebewesen verfasste und so den Ruf der ehemals ernsthaften Publikation zerstörte. Langfristig, indem er sich kurze Geschichten über einen einfältigen Soldaten ausdachte, dessen Einfälle seine Vorgesetzten zur Verzweiflung und in Gefahr bringen.

Erst 1921, nach seinen Erfahrungen als Soldat und Deserteur im Ersten Weltkrieg, begann der schon stark vom Alkoholismus gezeichnete Autor, die Schwejk-Geschichten in eine größere Form zu bringen. Der Roman mit dem Titel "Die Geschicke des braven Soldaten Schwejk während des Weltkrieges" erschien bis 1923 in mehreren Teilen, blieb jedoch aufgrund des Todes von Jaroslav Hasek Fragment.

"Ein Handbuch unbewaffneter Selbstverteidigung" Pavel Kohout

Das hat dem Buch nicht geschadet, da es von Anfang an als Aneinanderreihung von Anekdoten gedacht war und über keine durchgehende Handlung verfügt. "Der Roman", hat Pavel Kohout einmal geschrieben, "ist ein Handbuch der unbewaffneten Selbstverteidigung des Bürgers, der gleich zweimal ausgepresst wird: durch die Presse eines totalitären Regimes und durch die einer Besatzungsmacht - also Österreich. Schwejk, Angehöriger eines Volkes, dem seine Aristokratie gewaltsam genommen wurde und dessen Intelligenz sich daher unmittelbar aus dem Volk rekrutiert, beginnt, hohle Phrasen, die das totalitäre Regime und die Besatzungsmacht wie Reklameballons hochsteigen lassen, mit nimmermüder Aktivität zu füllen, bis dieser Ballast sie in Klötze verwandelt, die den Urhebern in den Weg und auf den Kopf fallen."

Die Abenteuer des braven Soldaten "Schwejk", Volkstheater 1995

Die Abenteuer des braven Soldaten "Schwejk", Volkstheater 1995

APA/HERBERT PFARRHOFER

Listiger Widerständler oder Idiot?

Schwejk als listiger Widerständler also, der das Regime, wenn schon nicht aus der Welt schafft, so zumindest dessen Repräsentanten schachmatt setzt, indem er, der Machtlose, die Phrasen der Macht beim Wort nimmt. Das ist die positive und weitverbreitete Deutung dieser Figur.

Doch wer den Roman genau liest, wird merken, dass Hasek sich an keiner Stelle darauf festlegt, ob sein Held nun tatsächlich ein Idiot ist, wie er selbst behauptet, oder ob er sich nur blöd stellt, um sich damit aus der Gefahrenzone zu bringen, wie seine Vorgesetzten vermuten. Wahrscheinlicher ist der erste Fall, denn Schwejks Aktionen sind allesamt seiner Dummheit geschuldet und keiner alles durchschauenden Cleverness.

Lachend fremdbestimmt

Nichts deutet darauf hin, dass er eine Strategie verfolgt. Er agiert wie ein Kind, das zwischen Wahrheit und Fiktion nicht unterscheidet, das nicht auseinanderzuhalten vermag, was wichtig und was irrelevant ist, das über kein Ich-Bewusstsein verfügt, sondern sich lachend der Fremdbestimmtheit überantwortet: der Armee, dem Gefängnis, dem Lazarett.

Er lässt mit sich machen, weil er keine Vorstellung davon hat, was er selbst aus sich machen soll. Es gibt bei ihm kein "Ich will!". Es gibt nur ein "Die Anderen wollen!" - doch dieses Wollen wird, weil er sich, wie die meisten psychisch Kranken, auf nichts konzentrieren kann, zumeist grundlegend missverstanden. Dadurch geraten die Dinge ins Rutschen, und keine Armee dieser Welt wäre in der Lage, einen Krieg zu gewinnen, wenn sie einen Schwejk in ihren Reihen hätte, weil sie innerlich zerfallen würde.

Sinnbefreite Kommunikation

Nicht durch Sabotage, sondern durch die unermüdliche Wiederholung sinnbefreiter Kommunikation, die ansteckend ist wie eine hochinfektiöse Krankheit. Vor allem dann, wenn die psychische Konstitution der Mitmenschen - sei es durch Alkoholmissbrauch, durch standesbedingte Ignoranz und/oder durch Unbildung - nur geringfügig jene des Schwejk überragt. Kein Hoffnungsschimmer leuchtet über dieser Geschichte.

Doch man kann sie auch als Kontrapunkt zu den ebenso zwischen Selbst- und Fremdbestimmung changierenden Romanen des Prager Zeitgenossen Franz Kafka lesen. Schwejk ist der von innen nach außen gewendete Protagonist K. aus "Der Prozess" und "Das Schloss". Auch hier hat der Irrsinn keine Methode. Doch während K. daran zerbricht, ist Schwejk der Fels, an dem der Wahnsinn als Dauerecho auf die Welt zurückgeworfen wird. Insofern ist Haseks nihilistischer Roman ein frühes Abbild eines nihilistischen Jahrhunderts, dessen sinnzerstörende Energie weder der Autor noch der Protagonist im Jahr 1923 ahnen konnten.

Gestaltung

  • Peter Zimmermann

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