Sixtinische Kapelle, Gemälde von Michelangelo

AP

Ausgewählt

Bilder vieler Ausstellungen

Der großartige Klavierzyklus "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgsky ist keineswegs ein Einzelfall. Umsetzungen von Werken der Bildenden Kunst in Musikstücke sind zahlreich, man könnte viele Ausstellungen damit füllen.

Eine kleine klingende Bildergalerie mit weniger bekannten Werken präsentiert "Ausgewählt". Zum Auftakt ein Besuch bei Antoine Watteau Kythera auf einer Insel der Glückseligkeit und der Liebe. Francis Poulenc hat das in einen übermütigen Walzer umgeformt - "L'Embarquement pour Cythère".

Antoine Watteaus "l'Embarquement pour Cythere"

Antoine Watteaus "l'Embarquement pour Cythere"

AFP/DENIS CHARLET

Bemerkenswert ist hier, dass es keineswegs ein barocker Komponist sein braucht, der ein barockes Gemälde in Musik umsetzt. Oder ein Impressionist für impressionistische Malerei. Das zeigt eben auch die Begrenztheit solcher Etikettierungen auf.

"Die zwei Schwestern" von Renoir

AFP/HO/THE ART INSTITUE OF CHICAGO

"Die zwei Schwestern" von Renoir

Pierre-Auguste Renoir & Francisco Goya

Jean Francaix komponierte einen ganzen Zyklus von 15 Kinderporträts von Pierre-Auguste Renoir für Klavier zu vier Händen. Der große Maler war ja ganz vernarrt in Kinder und ihre Welt. Zwei dieser klingenden Kinderporträts sind "Fillette lisant" (Das lesende Mädchen) und "Les deux soeurs" (Die zwei Schwestern). Das eine ruhig und versonnen, das andere munter und lebendig.

Francisco Goya gehört zu den ganz häufig in Musik übersetzten Malern. Seine Zyklen von Radierungen wie "Los Caprichos", "Los Desastres de la Guerra", ja sogar seine schauerlichen "Pinturas negras" wurden mehrfach vertont.

Ö1 wählt "El Pelele", ein fröhliches Bild aus den Jahren 1791/2 (Der Strohmann, Prado): Da sind vier junge Damen, die ein großes Leintuch spannen und damit eine Strohpuppe immer wieder in die Luft werfen. Eine arkadische Landschaft, ungetrübte Fröhlichkeit bei den Vieren und darüber die völlig bekleidete, dadurch noch mehr ungelenk und steif wirkende schwebende Puppe. Vertont von: Enrique Granados.

"El pelele" (links) und "El albanil herido" des spanischen Malers Goya.

"El pelele" (links) und "El albanil herido" des spanischen Malers Goya.

DPA/TIM BRAKEMEIER

Franz Liszt & Leos Janacek

Franz Liszt - kaum ein Musiker war auf außermusikalische Anregungen so gut ansprechbar wie er. Sie kamen vor allem aus der Literatur und aus der Malerei. Für seine "Legende von der Heiligen Elisabeth" war es Moritz von Schwinds Fresko "Das Rosenwunder" auf der Wartburg; für seine symphonische Dichtung "Hunnenschlacht" Wilhelm von Kaulbachs gleichnamiges Historiengemälde, und für seinen "Totentanz" Francesco Trainis großes Fresko "Triumph des Todes" am Campo Santo von Pisa. Sein Klavierstück "Sposalizio" entstand nach Raffaels "Vermählung Mariens" und als Vorlage für "Il Penseroso" diente Michelangelo Buonarrotis Statue des Lorenzo de’ Medici in der Medici-Kapelle in Florenz.

Knapp nach 1900, in der Zeit von "Jenufa", seinem ersten großen Opernerfolg, komponierte Leos Janacek ein tschechisches Vaterunser, das "Otce nas" als siebenteiligen Zyklus für Tenor solo, gemischten Chor, Orgel und Harfe. Inspirationsquelle war ein Bilderzyklus des polnischen Malers Jozef Mecina-Krzesz, den Janacek durch die Insassinnen des neuerrichteten Brünner Frauenheimes gleichsam als lebende Bilder nachstellen ließ. Diesem theatralischen Zugriff auf den Vaterunser-Text entsprechen die einzelnen Szenen: Der Beginn des "Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name" dargestellt durch Arbeiter, die vor einem Kreuz in einem Wald knien.

Olivier Messiaens staunende Engel

Jetzt zu Olivier Messiaens monumentalem Klavierzyklus der "20 Betrachtungen über das Jesuskind". Nummer 14: "Betrachtung der Engel". Damit sind keinesfalls die ätherischen Wesen etwa eines Fra Angelico gemeint, die über der Krippe schweben. Messiaen wies selber darauf hin, dass dieses Stück durch die Engel in Michelangelos "Jüngstem Gericht" angeregt worden seien. Die sind ganz oben auf dem riesigen Wandfresko in der Sixtinischen Kapelle, mit den Passionswerkzeugen, und als Posaunenengel über den Auferstehenden. Sämtlich fast nackt, athletisch und sämtlich ohne Flügel! Somit erwarten Sie bitte auch von Messiaen keine Süßlichkeiten, sondern, wie er selber schreibt, "kraftvolles Atmen wie Posaunen, sie sind wie Feuerflammen. Schließlich Vogelstimmen und das Staunen der Engel".

Sixtinische Kapelle

Sixtinische Kapelle

AP/PIER PAOLO CITO

Zu den seit der großen Pest im 14. Jahrhundert weithin verbreiteten Totentanz-Darstellungen von Lübeck bis Basel gibt es gerade aus dem 20. Jahrhundert eine Reihe bedeutender Vertonungen, etwa von Hugo Distler, Artur Honegger, Ivan Eröd oder von Frank Martin.

Frank Martins Sphärenwechsel

Martin hat schon in seinem großen Oratorium "Golgotha" ein Bildwerk als Anregung genannt, nämlich die Radierung "Die drei Kreuze" von Rembrandt. In seinem 1973 entstandenen "Polyptychon für Solo Violine und zwei kleine Streichorchester" beschreibt er sechs Tafeln aus der Passion Christi, die sich auf der der Rückseite von Duccio di Buoninsegnas grandioser "Maestà" befinden. Duccio schuf dieses Kunstwerk 1308 für den Dom von Siena.

Letzter Teil: "Image de la Glorification", Bild der Verherrlichung. Über dem gekreuzigten Jesus malte Duccio einen Reigen kleiner Engel, die den Sphärenwechsel versinnbildlichen. Konsequent schafft Martin hier eine Musik mit pentatonischer, in sich kreisender Bewegung, die aber sukzessive nach oben zieht.

Ilja Repin inspiriert Schostakowitsch

In seiner 14. Symphonie, die aus elf Orchesterliedern nach verschiedenen Dichtern besteht, hat Dimitri Schostakowitsch einen Text nach einem Gemälde von Ilja Repin als Vorlage genommen: "Saporoger Kosaken schreiben einen Brief an den türkischen Sultan". Das Bild stellt eine anekdotische Szene aus dem Jahr 1676 dar. Der osmanische Sultan Mehmed IV. forderte damals die Unterwerfung der Saporoger Kosaken unter seine Herrschaft.

"Jupiter und Io", Ausschnitt

KHM

"Jupiter und Io", Ausschnitt

In selbstherrlichem Ton befahl der Sultan den Kosaken, jeglichen Widerstand aufzugeben. Daraufhin sollen sich die Saporoger Kosaken zusammengesetzt und eine Antwort an den Sultan verfasst haben - genau jenen Moment zeigt Repins Gemälde. Der Text dieses Briefes ist zwar nicht überliefert, aber es zirkulieren diverse Varianten auf Ukrainisch. Guillaume Apollinaire hat eine gereimte Variante gedichtet, die von Schostakowitsch benutzt wurde.

Den Tschechen Zdenek Fibich inspirierten für seinen Klavierzyklus "Gemäldestudien" Jacob van Ruisdael, Pieter Breughel, Fra Angelico, Antoine Watteau und Antonio da Correggio. Von dem Letztgenannten ist es die grandiose "Verführung der Nymphe Io durch Jupiter", die sich im Wiener Kunsthistorischen Museum befindet.

Überraschend scheint es vielleicht, dass György Ligeti angibt, einige Werke unter dem Einfluss von Malereien geschaffen zu haben - von Albrecht Altdorfers Alexanderschlacht bis zu Joan Mirós Karneval des Harlekins. Ein Stück im zweiten Buch seiner Klavier-Etüden heißt "Columna infinitá" (die unendliche Säule) und wurde nach der berühmten gleichnamigen Skulptur des rumänischen Künstlers Constantin Brancusi geschaffen. Bei ihm sind es Tonleitern, die gleichsam in einer unendlichen Spirale aufwärts streben.

Zum Abschluss nun Ottorino Respighi und der Beginn seines "Trittico Botticelliano" (1927), der widmet sich dem berühmten Gemälde "La Primavera" (Der Frühling). Angelo Poliziano, der Dichter, Philologe und Philosoph am Hof des Lorenzo de Medici hatte mit seinen Texten und mit seinem Rat Botticelli zu seinem Gemälde angeregt. Die Macht der Musik, so war seine Überzeugung, liege in ihrer Natürlichkeit. Von diesen Gedanken ging auch Respighi aus: Er schildert Botticellis Gemälde mit naturnahen Motiven und mit Tanzrhythmen aus der italienischen Renaissance, also der Entstehungszeit des Bildes. Am Beginn steht aber eine Anspielung auf Antonio Vivaldis "Frühling" in dessen "Vier Jahreszeiten".