Zeitungsstapel

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Print-Branche

Papier will nicht mehr so geduldig sein

Die Zeitungsverleger haben einen neuen Präsidenten gewählt und die zweite Reihe verjüngt. Man ist gerüstet für die medienpolitische Debatte nach der großen Enquete, bei der Print eher im Schatten gestanden ist. Man will Kante zeigen. Auch wenn von der Großwetterlage her Schulterschluss und Kooperation angesagt ist.

Profil-Herausgeber Christian Rainer spricht es am deutlichsten aus: "Printmedien sind bei der Enquete praktisch nicht vorgekommen, man hat uns in Moderatoren-Rollen hineingesteckt. Und ich bin auch empört über den Medienminister, weil der in seiner Zusammenfassung gesagt hat, wir seien uns in Sachen ORF alle einig." Der ORF, die Hassliebe der Zeitungen.

Christian Rainer

Christian Rainer

APA/GEORG HOCHMUTH

Hassliebe der Zeitungen zum ORF

Einerseits arbeitet man gut zusammen – es gibt die Austria Videoplattform, über die der ORF den Zeitungen für ihre Online-Portale Bewegtbild zur Verfügung stellt, der ORF inseriert auch fleißig in den Zeitungen, promotet Print-Veranstaltungen wie die Dreier-Konfrontation vor der Nationalratswahl 2017 und lädt regelmäßig Print-Leute zum Diskutieren auf ORF2 und ORF III ein. Und dann gibt es vor allem die Austria Presse Agentur - eine Genossenschaft, deren Anteile der ORF und die Tageszeitungen halten. Die APA ist viel mehr als eine Presseagentur, sie ein Top-Dienstleister mit viel Know-how im IT-Bereich.

Hermann Petz

Hermann Petz

APA/GEORG HOCHMUTH

Die APA als ein gemeinsames Haus

Vorsitzender des APA-Vorstands ist seit 15 Jahren Hermann Petz, Chef der Moser Holding mit dem Flaggschiff Tiroler Tageszeitung. Petz betont, wie gut das Miteinander von ORF als größtem Genossenschafter und den Zeitungen funktioniert. Das sei ausbaufähig, etwa in Richtung einer nationalen Online-Plattform: "Das lässt sich natürlich übertragen auf andere Projekte. Man muss es dann einfach tun und braucht keine internationalen Dienstleister, die das auf die Beine stellen. Wir haben eine gemeinsame Genossenschaft, die das macht."

Die blaue Seite als Streitgrund

Andererseits betreibt der ORF mit der sogenannten blauen Seite - also ORF.at - das mit Abstand erfolgreichste Online-Portal des Landes. Für die Mitbewerber ist das neben der Onlineseite des "Standard" einer der wesentlichen Gründe, warum mit Bezahlmodellen im Netz so schwer durchzukommen ist. Markus Mair, Chef des zweitgrößten Print-Medienhauses, tischt das jetzt als neuer Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen wieder auf: "ORF Digital ist nicht allein programmbegleitend, sondern das ist ein eigenes Produkt geworden. Das läuft im direkter Konkurrenz zu den Online-Portalen der privaten Medienmarken."

Schulterschluss ja, aber wie?

Der VÖZ-Präsident positioniert sich offenbar schon für den von der Politik verordneten Schulterschluss der österreichischen Medien. Der ORF soll der Motor dafür sein, Medienminister Gernot Blümel will ja einen Kooperationsauftrag ins Gesetz schreiben. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz schwebt ein ORF-Player vor, eine Art Super-TVthek, an der alle anderen österreichischen Medienhäuser andocken können. Es soll ein Empfehlungssystem für Premium-Inhalte der Zeitungen geben, die ORF-Reichweite im Netz soll den anderen Medien viel Traffic bringen. Was das für die von den Zeitungen argwöhnisch beäugte blaue Seite heißt, steht noch in den Sternen.

ORF als Reichweiten-Turbo im Netz

Weit gediehen ist eine digitale Vermarktungsplattform von ORF und Zeitungen, Arbeitstitel: Austria Marketplace. Um zu verstehen, was die Vermarktungsplattform mit dem ORF bringen könnte: "Salzburger Nachrichten" und "Oberösterreichische Nachrichten" etwa vermarkten ihre Portale derzeit über die "Purpur Media" und haben so eine Reichweite von 56 Millionen sogenannten Page Impressions und 1,3 Millionen Unique Clients, das sind die Messzahlen der Webanalyse. Allein der ORF bringt in den geplanten Marketplace dann mehr als 450 Millionen Page Impressions und gut 9 Millionen Unique Clients ein.

Wenn Zeitungen Fernsehen machen

Manche Zeitungshäuser zieht es inzwischen auch zum Fernsehen. Die Salzburger Nachrichten produzieren eigene Videos für multimediale Geschichten im Netz, der Kurier hat sich überhaupt gleich einen kleinen Sender gekauft. Der Preis war günstig, und es heißt, Schau-TV sei das Steckenpferd von Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstätter, der beim ORF, beim deutschen n-tv und beim Puls4-Vorläufer Puls TV Fernsehen gemacht hat. Kurier-Geschäftsführer Thomas Kralinger reklamiert das Baby im #doublecheck-Interview für sich: "Also den Sender hat nicht der Chefredakteur - sondern ich als Geschäftsführer hab das dem Aufsichtsrat vorgeschlagen."

"Medienmarken brauchen Bewegtbild"

Es sei eine günstige Möglichkeit gewesen, in den Fernseh-Bereich einzusteigen, so Kralinger. Und diesen Schritt sehe er für Medienmarken wie den Kurier als unerlässlich an. Die einen kaufen sich also einen eigenen Sender, die anderen spielen ihre Online-Formate im richtigen Fernsehen ab. Zum Beispiel die Kronenzeitung: Die hat ein Talk-Format im Internet, das Brennpunkt heißt und schon zweimal Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Gast hatte. Einer der Talks mit Kurz ist Ende Juni im 19.30 Uhr auf ATV gelaufen, die Quote war mit 27.000 Sehern ausgesprochen schwach.

ATV als Abspielstation der Krone

Die Ausstrahlung war aber vor allem nicht mit der Nachrichtenredaktion von ATV abgesprochen – die hat sich per Insert vor und nach der Krone-Sendung vom Inhalt distanziert und bei der Geschäftsführung Protest eingelegt. Der Konflikt ist noch nicht ausgestanden. Die ganze Aktion ist seltsam: Die Kronen Zeitung ist an der Vermarktung von RTL in Österreich beteiligt, und das ist ein anderer Konzern als ProSieben.Sat1 zu dem Puls4 und ATV gehören. Fragt man nach, wer die Aktion eingefädelt hat, dann bekommt man keine Antwort. "Im Namen von ATV-Geschäftsführer Thomas Gruber können wir der Anfrage aktuell nicht nachkommen", heißt es im Mail von der Puls4-Pressestelle. Eine zweite Anfrage an Puls4-Geschäftsführer Michael Stix wurde gleichlautend abgewehrt. Michael Eder von Krone Multimedia hat selber abgehoben und gleich freundlich, aber bestimmt gesagt, dass er nichts sagen wolle.

Fall für die Wettbewerbshüter?

Der Chefredakteur von "krone.at", Richard Schmitt, ließ auf Anfrage von #doublecheck wissen, die Kooperation mit ATV sei ein Test gewesen, "Fortsetzung im September so gut wie fix". Das wird noch spannend: Auf die Kooperation hat nämlich der Treuhänder der Bundeswettbewerbsbehörde BWB ein Auge geworfen. Der Berliner Berater Wolfgang Nothhelfer beobachtet für die BWB, ob bei ATV alle Auflagen eingehalten werden, die nach dem Verkauf an Puls4 erteilt wurden. Ihm sei der Vorfall bekannt, sagte Nothhelfer auf Anfrage. Und die wichtigste Auflage ist, dass die Eigenständigkeit der ATV-Inforedaktion gewahrt werden muss. Mit der Krone-Aktion wurde da wohl übers Ziel geschossen.

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