Violistin

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Krieg und Frieden

Das RSO Wien beim Festival Herbstgold

Mit Werken von Prokofjew, Tschaikowsky, Beethoven und Korngold gastiert das RSO beim Festival Herbstgold in Eisenstadt. Dirigent Valentin Uryupin und Arabella Steinbacher (Violinkonzert von Korngold) geben ihre Debüts mit dem ORF Orchester.

Krieg und Frieden

Wie "Das Kapital" und die "Bibel" gehört auch "Krieg und Frieden" zu jenen Büchern, die nur von einem Bruchteil jener Menschen gelesen wurden, die die Lektüre behaupten. Was Lew Tolstoi in den 1860er Jahren auf vielen, vielen Seiten ausrollte, ist tatsächlich allumfassend: Der Krieg zwischen Napoleon und Russland wird nicht nur geschildert, sondern auch strategisch diskutiert, Beratungen über gewollte und ungewollte Verheiratungen füllen ganze Kapitel, Abendgesellschaften, politische Intrigen, Wirtshausszenen, Schlittenfahrten, Wolfsjagden …

"Krieg und Frieden" spiegelt das Moskauer Bürgertum innen und außen in bewegter Zeit wider. Und zieht ein ernüchterndes Resümee: "Nur das unbewusste Handeln ist fruchtbar, und derjenige, der in einem historischen Ereignis eine Rolle spielt, wird dessen Bedeutung nie verstehen."

Von Prokofjew stetig umgearbeitet

Dieses Epos mit seinen an die 100 tragenden Charakteren in eine Oper zu verwandeln, scheint vermessen. Sergej Prokofjew, erschüttert durch den deutschen Überfall auf die Sowjetunion, versuchte es dennoch - argwöhnisch beäugt von den sowjetischen Machthabern, die ihn denn auch nötigten, sein Werk, das 1943 erstmals vorgestellt wurde, immer wieder umzuarbeiten. Eine endgültige Fassung entstand nie.

Aufführungen der Oper sind so selten wie Leserinnen und Leser des gesamten Romans. Eine (konzertante) hat das ORF Radio-Symphonieorchester Wien 1995 gespielt, beim diesjährigen Festival Herbstgold in Eisenstadt erklingt wenigstens die Orchestersuite. Sie zielt mitten ins Herz des diesjährigen Festivalmottos "Krieg und Frieden".

Kontrabass

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Tschaikowskys Schlachtengemälde "1812"

Schlug Sergej Prokofjew sich mit der Partei herum, so hatte Pjotr Tschaikowsky mit der Ouvertüre "1812" lang vor Tolstoi seine Sichtweise des Krieges mit leichter Hand zu Papier gebracht. Entlang von Volkstänzen, Kirchenliedern und Nationalhymnen formte Tschaikowsky ein antinapoleonisches Schlachtengemälde, das er zwar selbst nicht besonders mochte, sein Publikum aber umso mehr.

"Wellingtons Sieg" von Beethoven

Ebenso umjubelt wurde Beethovens "Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria" über den zeitgleich stattfindenden Krieg auf der iberischen Halbinsel. Zur Uraufführung am 8. Dezember 1813 versammelte sich die Wiener Musikprominenz: Es dirigierten Antonio Salieri und Beethoven, zum Orchester hatten sich Komponistenkollegen wie Giacomo Meyerbeer und Ignaz Moscheles hinzugesellt.

Auch hier erleichtern patriotische Lieder das musikalische Geschehen, und am Schluss triumphieren die Briten mit einem lauten "God Save the King".

Zarte Gesänge aus Korngolds Feder

Zeit für die leisen Töne im Eisenstädter RSO-Konzert: Erich Wolfgang Korngolds Violinkonzert erzählt zwar nicht vom Schlachten, zittert aber innerlich vor der feindlichen Umgebung, entstand es doch in den Jahren rund um den "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland.

Voller Entsetzen blieb Korngold in Hollywood, wo er neue Maßstäbe für die Filmmusik der großen Traumfabrik gesetzt hatte. Noch im letzten Kriegsjahr überarbeitete er sei Violinkonzert, ein Werk der zarten Gesänge, "mehr für einen Caruso als einen Paganini" (Korngold).

Debüts von Steinbacher und Uryupin

Solistin des Eisenstädter Konzerts ist Arabella Steinbacher, die seit ihrem außergewöhnlichen Debüt beim Orchestre Philharmonique de Radio France unter Sir Neville Marriner in Paris 2004 in allen wichtigen Musikmetropolen der Welt auftritt und nun zum ersten Mal auch mit dem RSO Wien zusammenarbeitet.

Ein Debüt beim RSO Wien absolviert auch der junge russische Dirigent Valentin Uryupin, der im Vorjahr den achten internationalen Dirigentenwettbewerb Sir Georg Solti in Frankfurt für sich entschieden hat. Ob er den großen Roman seines Landsmannes gelesen hat? Fragen wir ihn in Eisenstadt.

Text: Christoph Becher, Intendant des RSO Wien

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