Eine Hand hält ein Smartphone. Man sieht, ein Posting hat schon viele Likes und Kommentare erhalten.

AFP/JOSH EDELSON

Soziale Netzwerke

Teilen als Reichweiten-Beschleuniger

Ein Facebook-Posting, das durch die Decke geht, kann die Reichweite eines Artikels ordentlich nach oben treiben. Für Medien wird es daher immer wichtiger, in den Sozialen Netzwerken erfolgreich zu sein – und dabei helfen Facebook-Fans alleine recht wenig. Es ist das Teilen, das die Clicks und die Aufmerksamkeit bringt.

Das Netz ist heiß umkämpft. Die Online-Angebote der Tageszeitungen liefern sich einen Kampf um die Clicks, und ein wohl beachtlicher Teil dieser Zugriffe kommt von Sozialen Medien, die ein immer wichtigerer Verbreitungskanal für Nachrichten werden. Im Detail wissen das nur die Medien selbst. Laut dem aktuellen Reuters Digital News Report nutzen aber immerhin rund 50 Prozent der Österreicher Soziale Medien als Nachrichtenquelle, Tendenz steigend. Beim jüngeren Publikum dürfte der Anteil noch höher sein.

Teilen erwünscht

"Der Traffic-Anteil, der von Social Media auf die einzelnen Nachrichtenplattformen kommt, wird ein ganz erklecklicher sein, sonst würden die sich den Aufwand nicht antun", sagt auch Roland Trnik von der Agentur Spinnwerk. Der Aufwand, den Medien in Facebook und zunehmend auch in Instagram stecken, ist unterschiedlich groß. Posten manche schlicht ihre Artikel samt Schlagzeile, produzieren andere eigene Videos und Grafiken mit markanten Sprüchen, sogenannte "Shareables". Der Name ist Programm, denn das Ziel lautet geteilt zu werden. "So multipliziert sich die Reichweite eines Beitrages wie von alleine. Die Shares tragen dazu bei, wie sehr sich ein Inhalt verbreitet", so Trnik.

Porträt Roland Trnik.

Roland Trnik.

MARKUS MORIANZ

Das erfolgreichste Nachrichtenportal auf Facebook ist laut Spinnwerk der Facebook-Auftritt der "Zeit im Bild". Vorne dabei ist auch die "Krone". Spinnwerk hat seit Anfang Oktober 2017 bis August 2018 die Interaktionen – also die Likes, Kommentare und Shares – gezählt und ist zu diesem Ergebnis gekommen: "Krone" und ZIB haben jeweils einen Anteil zwischen 20 und 30 Prozent aller gezählten Interaktionen. Beachtlich dabei ist, dass die ZIB kein Werbebudget für Facebook einsetzt. Freilich mit einem gewissen Startvorteil, kann die ZIB doch auf Videos zurückgreifen, die vom Algorithmus bevorzugt werden.

Politik-Postings als Aufreger

Es waren vor allem die Themen Rauchverbot und Asyl, die laut Trnik von Spinnwerk der "Zeit im Bild" auf Facebook viele Interaktion beschert haben. Die emotionale Parlamentsrede von Ex-Neos-Chef Matthias Strolz zum gekippten Rauchverbot war im Analyse-Zeitraum der Social-Media Agentur das erfolgreichste Posting. Auf den zweiten Platz kam die Rede des Schriftstellers Michael Köhlmeier anlässlich der Gedenkfeier am 5. Mai, in welcher Köhlmeier die FPÖ scharf kritisiert hatte. Die Abrechnung des liberalen belgischen Politikers Guy Verhofstadt im EU-Parlament mit Bundeskanzler Sebastian Kurz schaffte es auf Platz drei. Es sind also fast alles Beiträge zu Regierungsarbeit, die das Publikum auf Facebook in den vergangenen Monaten am meisten interessiert haben, fasst Trnik zusammen.

Mit welchen Seiten am meisten interagiert wird

Die Analysen von Spinnwerk beziehen sich auf das gesamte Interaktionsaufkommen – ob auf "Love", "Like" oder "Angry" geklickt wird, ob kommentiert oder geteilt wird. Die Page-Likes, also die Anzahl der Fans einer Seite, sagen nicht besonders viel aus, sagt auch Stefan Schmertzing, Gründer der Social Media Agentur Wunderknaben. "Eine gewisse Größenordnung ist wichtig, um überhaupt mitzuspielen. Was aber überhaupt keinen Sinn macht, ist, sich Likes zu kaufen. Das ist extrem negativ. Wichtig ist die Interaktion", so Schmertzing. Das sei vor allem in der Vergangenheit häufig passiert, heute lässt sich nicht mehr nachvollziehen, weil Facebook seine den Zugang zu diesen Daten nicht mehr gewährt.

Renaissance der parteinahen Medien

Ob es aber allen um die Clicks geht, die von Facebook auf die eigene Website führen, ist offen, kann doch auch der Erfolg auf Facebook schon das Ziel sein. Etwa für Medien, die mit einer starken Agenda punkten wollen, wie die rechten bis extrem rechten Portale Wochenblick, Unzensuriert oder Info-Direkt. Sie werden immer erfolgreicher auf Facebook, auch das hat eine Analyse von Spinnwerk gezeigt. "Wir haben gesehen, dass parteinahe, alternative Plattformen doch deutlich erfolgreicher sind, als wir das vermutet hätten und - was die Shares betrifft - schon an Krone oder Heute herankommen", so Trnik. Diese Seiten seien gut darin, Nachrichten so zuzuspitzen, das sie aufregen und emotionalisieren. Das führe dazu, dass viel damit interagiert wird und die Inhalte stark verbreitet werden.

Ein enormes Wachstum auf Facebook hatte auch die vom SPÖ-Parlamentsklub betriebene Seite kontrast.at - bei der Anzahl der Shares liegt sie bereits an sechster Stelle.

Keine transparenten Daten

Doch all diese Social-Media-Rankings sind problematisch. Die Transparenz der Daten ist laut Experten mangelhaft. Social-Media-Rankings wie 10.000 Flies oder Story Clash arbeiten mit der API-Programmierschnittstelle von Facebook, die den Apps und Rankings zur Verfügung gestellt wird. Letztendlich müssen Werber dem US-Internet-Riesen einfach glauben, das die Zahlen, die sie bekommen, auch stimmen. "Wir können diese Daten ja nicht so genau analysieren. Das lässt uns Facebook nicht", sagt Stefan Schmertzing. Genau dieser Datenschatz sei das Alleinstellungsmerkmal von Facebook.

Außerdem hinterlassen viele, die Beiträge auf Facebook sehen, gar keine Spuren, erzählt Schmertzing. Es seien nur ein Prozent, die dauernde Beiträge schreiben, und neun Prozent, die diese auch liken, aber ganze 90 Prozent schauten sich Postings einfach nur an. Diese werden nicht gezählt, die wahre Reichweite bleibt im Dunkeln.

Reichweite kaufen

Hinzu kommt, dass sich Reichweite auf Facebook, aber auch auf Google schlicht kaufen lässt. Darauf basiert immerhin das Geschäftsmodell der Internet-Giganten. "Grundsätzlich kann ich mir alles kaufen. Wie gut dann die einzelne Werbeanzeige tatsächlich funktioniert und sich damit finanziell lohnt, hängt davon ab, wie gut damit interagiert wird", sagt Trnik. Viel Geld ins Werbe-Budget zu stecken, hilft also alleine nicht. Die Qualität der Beiträge zählt, der sogenannte Content. Werbeagenturen und Medien sind gefordert, sie müssen auf Social Media besonders spannende Geschichten erzählen, um im Gespräch zu bleiben.

Trnik hat beobachtet, dass fast alle in der ÖWA gelisteten Medien Werbeanzeigen auf Facebook schalten. Damit können sie ihre Reichweite in der Webanalyse beeinflussen, sagt er: "Ich kann mir natürlich über Social Media genauso wie über Google Reichweiten kaufen." Mehr Transparenz würde hier gut tun, so Trnik. Denn bis dato weiß man nicht, welche Medien welche Inhalte mit Werbegeld forcieren.

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