Fritz Grünbaum

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Streit um Schiele

"Schiele-Zeichnungen gehen an New Yorker Erben" lautete die Schlagzeile im April dieses Jahres. Der Oberste Gerichtshof in New York hatte über zwei Blätter aus der Kunstsammlung Fritz Grünbaum entschieden.

Die Sammlung von Fritz Grünbaum umfaßt 400 Werke, 80 davon stammten von Egon Schiele, und beschäftigt die Gerichte seit mehr als 20 Jahren. Denn Fritz Grünbaum wurde 1938 ins KZ Dachau deportiert, wo er 1941 ermordet wurde. Seine Frau Lilly wurde 1942 in Maly Trostinec umgebracht. Was dann mit seiner Sammlung geschah, darüber streiten die Gerichte bis heute. Haben die Nazis sie geraubt oder war sie bei einer Spedition eingelagert?

"Famose Begabung! Viel zu schade für Wien!"

Fritz Grünbaum

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Fritz Grünbaum, 1935

Marie-Theres Arnbom sitzt an ihrem Schreibtisch, sie arbeitet gerade an ihrem neuen Buch. Auf dem Tisch stehen Fotos ihrer Familie und von Fritz Grünbaum. Sie hat den Kabarettisten nie persönlich kennengelernt, und doch ist er Teil ihrer Familie, sagt sie. Die Historikerin hat sich jahrelang mit Fritz Grünbaum beschäftigt, sein Leben und seinen grausamen Tod erforscht.

Fritz Grünbaum wurde 1880 in Brünn als Sohn einer deutsch-jüdischen Kunsthändlerfamilie geboren - mit einem besonderen Talent. 1906 hatte er seinen ersten großen Auftritt bei der Eröffnung der "Hölle", des neuen Kabaretts im Souterrain des Theaters an der Wien. Grünbaum prägte mit seinen frivolen Texten die Kleinkunstbühne. 1907 wagte er den Sprung nach Berlin, wo die Witzraketen des Wieners gut ankamen. "Famose Begabung! Viel zu schade für Wien!", hieß es in der deutschen Metropole.

"Erfunden hat’s der Grünbaum."

Ab 1922 trat er in der legendären Doppelconférence mit Karl Farkas auf. Berühmt wurden die Kabarettnummern dann nach dem Zweiten Weltkrieg, als Waldbrunn den Part von Grünbaum übernahm. "Erfunden hat’s der Grünbaum", rückt Arnbom die Erinnerung zurecht. Waren vor dem Krieg noch kleine Kabarettabende en vogue, so wurden im Rausch der 1920er Jahre riesige Revueoperetten wie Wien lacht wieder mit Girls en masse auf die Beine gestellt.

Fritz Grünbaum in "Hallo Grünbaum".

Fritz Grünbaum in "Hallo Grünbaum".

ORF/ÖSTERREICHISCHES THEATERMUSEUM

Grünbaum schrieb unzählige Texte für Schlager, die große Erfolge wurden. Wer hat nicht die Melodie von Ich hab das Fräulein Helen baden sehn im Ohr? "Es ist unglaublich, dass ein Mensch so viele Ideen hat, so viele Wortspiele und lustige Reime findet", sagt Arnbom. Das neue Medium Film bescherte ihm noch mehr Erfolge. Allein in den Jahren 1931-1934 wirkte er bei zehn Filmen als Schauspieler mit. Und in seinen Kabaretts trat er ab 1933 engagiert gegen die Nationalsozialisten auf.

"Die Nazis haben Kabarettisten mit Vehemenz verfolgt und gequält."

"Die Nazis haben sich an den Kabarettisten in ganz grauenhafter Weise gerächt", sagt Arnbom. "Sie haben sie mit Vehemenz verfolgt und gequält." Fritz Grünbaum war ihnen nicht nur als Jude, sondern vor allem als "politisch unzuverlässig" ein gehasster Feind. Grünbaum versuchte zunächst, nach Amerika zu gelangen, die Auflagen des Konsulats waren aber unerfüllbar. Als er und seine Frau im März 1938 in die damalige Tschechoslowakei fliehen wollten, wurden sie an der Grenze abgewiesen.

Konzentrationslager Dachau

Konzentrationslager Dachau

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Am 24. Mai 1938 wurde er in das Konzentrationslager Dachau deportiert, später nach Buchenwald, und wieder zurück nach Dachau. Dort starb er am 14. Jänner 1941. Seine Ehefrau Elisabeth wurde in eine sogenannte Sammelwohnung gebracht und später ins Konzentrationslager Maly Trostinec deportiert, wo sie 1942 starb.

"Viele Faktoren sind einfach nicht mehr zu klären."

Zeichnung von Egon Schiele: Sitzender weiblicher Rückenakt mit rotem Rock, 1914

ALBERTINA, WIEN

"Sitzender weiblicher Rückenakt mit rotem Rock, 1914"

Fritz Grünbaum legte in den 1920er Jahren eine interessante Kunstsammlung an. Er setzte auch auf junge Talente wie Egon Schiele und kaufte zirka 80 Werke von ihm, darunter fünf Gemälde. Die Nationalsozialisten dokumentierten die Kunstsammlung mit ihren zirka 440 Werken, allerdings so ungenau, dass man heute nicht einmal gesichert weiß, welche Werke Grünbaum besaß.

Elisabeth (Lilly) Grünbaum lagerte die Sammlung bei der Spedition Schenker ein. Was ab 1939 mit den Kunstwerken geschah, gibt Rätsel auf. Fritz und Elisabeth Grünbaum hatten keine Kinder, so suchen nun Nichten und Neffen und ihre Kinder nach der Wahrheit. Tatsache ist, dass Lilly Grünbaums Schwester Mathilde Lukacs ab 1955 Schiele-Blätter aus der Sammlung verkauft hat. Wie sie zu den Kunstwerken gekommen ist, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden.

Dazu kommt noch die Frage, wer eigentlich die berechtigten Erben sind. Sind es die Verwandten von Fritz Grünbaum oder von seiner Frau Elisabeth, die ihn ja überlebt hat. Wurde die Sammlung von den Nazis entzogen oder war sie die ganze Zeit in Besitz der Familie? Das ist die Schlüsselfrage.

"Dieser Streit ist außergewöhnlich", meint Arnbom zu dem Fall, der die Provenienzforschung über Jahre beschäftigt hat.

"Viele Faktoren sind einfach nicht mehr zu klären, das macht den Fall so kompliziert." Die Gerichte werden eine Antwort finden müssen. Ungeklärt bleibt auch, ob der Sammler jemals Egon Schiele persönlich kennengelernt hat. Belege gibt es dafür jedenfalls keine.

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