Emre Yavuz

Ayşegül Yüceil

Talentebörse

Emre Yavuz, Klavier

Mit drei Jahren konnte er bereits lesen und schreiben - also lag das Erlernen eines Instruments nahe. Dass die Wahl auf das Klavier fiel, hat Emre Yavuz nicht unbedingt selbst entschieden, die Beziehung zu seinem Instrument bezeichnet er trotz allem als eine romantische. Der 1990 in Izmir in der Türkei geborene Pianist hat einen ganz eigenen Zugang zur Musik entwickelt.

Was ist Kunst?

Das schönste aller Dinge, die nicht notwendig sind. Genau aus diesem Grund ist sie unverzichtbar. Kunst ist Initiative.

Wie sind Sie zur Kunst gekommen?

Viele Musiker würden hier märchenhafte, inspirierende Kindheitsgeschichten erzählen. Bei mir war es so, dass meine Eltern und meine Schwester hier die größte Rolle spielten. Mit drei Jahren konnte ich lesen und schreiben, was zuerst erstaunlich und lustig war, aber nach einem Jahr oder so habe ich zuerst Märchen, dann Astronomiebücher auswendig gelernt. Da fingen meine Eltern an zu denken, sie sollten etwas tun. Der Psychologe wies darauf hin, diese Wissbegierde in ein bestimmtes Feld zu kanalisieren. Das hätte Physik, Sport, Malerei, oder was ganz anderes sein können. Genau zu der Zeit war aber meine Schwester eine Musikstudentin am Konservatorium in İzmir und sie hat meine Eltern überredet: Sie hatte mit Musik spät angefangen, aber ich war noch so jung und das wäre eine tolle Gelegenheit, meinte sie. So, Musik war’s. Und dass es Klavier sein sollte, hat meine Mutter entschieden. Weil sie das Instrument liebte. So einfach ist es bei mir. Ja, ich war vier oder fünf und so eine wichtige Entscheidung hat meine Familie für mich getroffen. So finde ich es auch richtig. Wenn ich das Klavierspielen nicht gemocht hätte, hätten mich alle Eltern der Welt nicht dazu zwingen können. Ins Schwarze getroffen.

Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?

In meinem Fall vom Wollen. Aber ich muss es und ich kann es auch.

Wo würden Sie am liebsten auftreten?

Ich spiele in den kleinsten und größten Konzertsälen, manchmal in einem Raum, der kein Konzertsaal ist. Das Gebäude ist nicht das, was ein Konzert ausmacht. Aber ich finde es besonders berührend für mich selbst, wenn ich in einem Saal spiele, wo ich als Zuhörer faszinierende Konzerte gehört habe, z.B. in den Konzertsälen von Wien. Ich bin in diesen Sälen erwachsen geworden.

Mit wem würden Sie gerne zusammenarbeiten?

Dietrich Fischer-Dieskau. Schade!

Wie viel Markt verträgt die Kunst?

Wieviel Markt die Kunst, die ich vertrage, verträgt, ist proportional zur inhaltlichen Qualität. Proportional weniger. Dass man sein Produkt verkaufen will, ist keine Schande, das wäre dann der Fall, wenn die Vermarktung das Beste daran wäre.

Und wie viel Kunst verträgt der Markt?

Die Kunst ist doch nicht immun gegen den Kapitalismus. Die Künstler auch nicht. Es ist natürlich schade, aber wieviel Kunst der Markt verkaufen kann, hat mit dem Wesen der Sache kaum etwas zu tun. Also ich könnte in Ihrer Frage das Wort “Kunst” mit irgendeinem anderen austauschen (z.B. Badesalz) und meine Antwort würde sich nicht ändern: Ich weiß es nicht.

Wofür würden Sie Ihr letztes Geld ausgeben?

Für zwei Quadratmeter Land auf einem Hügel in der Ägäis.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Ich mache momentan, was ich liebe und wofür ich gut geeignet bin. In zehn Jahren? Dasselbe, nur besser und mehr.

Haben Sie einen Plan B?

Nicht wirklich. So was sollte organisch geschehen, denke ich. Ich vertraue meinem Hirn, möchte es aber nicht mit hypothetischen Sorgen belasten. Falls ich eines Tages eine Hand verlieren sollte, werde ich in der Lage sein, einen guten Plan B zu finden.

Wann und wo sind Sie das letzte Mal unangenehm aufgefallen?

Das ist in Wien und nicht lange her gewesen, denn was mir und einer gewissen türkischen Freundin regelmäßig passiert, ist, dass wir in einem Lokal sitzen, oder in irgendeinem öffentlichen Raum sind, und wir reden nur Blödsinn, machen uns lustig über andere, wir schimpfen, weil wir vergessen, dass schon viele Menschen in dieser Stadt Türkisch verstehen. Jedes Mal müssen wir das Lokal im Scham (und schnell) verlassen und uns draußen totlachen. Ich fange an zu denken, dass sie es bewusst macht, weil es sie reizt und mich darin verwickelt.

Wollen Sie die Welt verändern?

Ja klar! Ohne die Welt verändern zu wollen, kann ich nicht spielen. Und ich tu’s auch. Gewissermaßen.

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