Zwei DarstellerInnen rangeln auf der Bühne

ODEON/MAX KAUFMANN

Kunst und Klage

"Lamento Allegro" im Wiener Odeon

Im Herbst feierte das Theater Odeon im zweiten Wiener Bezirk sein 30-Jahr-Jubiläum, nun präsentiert das hier beheimatete Serapions-Ensemble sein neuestes Werk: "Lamento Allegro" fußt auf einer 4000 Jahre alten, aber erstaunlich aktuellen Geschichte aus dem alten Ägypten. Premiere ist am 15. März.

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Ö1 Morgenjournal | 14.03.2019

Sebastian Fleischer

Ein Bauer zieht nach Ägypten, um seine Waren feilzubieten. Doch unterwegs bestiehlt man ihn. Daraufhin wendet sich der Mann an eine höhere Instanz, um sein Unrecht zu klagen, erntet jedoch nur Prügel. Doch er gibt nicht auf, und jedes Mal wird sein Klagelied poetischer und kunstvoller. "Die Klage des Oasenmanns oder Die schöne Rede" heißt der altägyptische Text, der schon lange im Regal von Erwin Piplits steht und nun als Vorlage des neuen Stücks dient. Für den Gründer des Serapions-Ensembles handelt es sich dabei um eine Parabel auf die Kunst.

DarstellerInnen der Größe nach sortiert auf der Bühne

ODEON/MAX KAUFMANN

Unrecht weg, Freiheit auch

"Aus welchem Grund nimmt man immer wieder auf sich, sich auf kunstvolle Weise auszudrücken? Meistens, weil man einen unannehmbaren Zustand vermitteln möchte", so Piplits. "Ob man dabei gehört wird oder nicht, ist dann die nächste Dimension. Dieser Oasenmann wird jedenfalls immer gestalterischer, je weniger er gehört wird."

Der Oasenmann wird schließlich doch erhört, sein Verlust wird abgegolten, doch dafür verliert er seine Freiheit und wird vom Herrscher abhängig. Prompt verlässt ihn daraufhin auch noch seine Begleiterin.

Wie viel ist einem die Freiheit wert?

Die zentrale Frage des 4000 Jahre alten Textes ist zeitlos. Doch die Deutungsmöglichkeiten bleiben - typisch für das Serapions-Ensemble - auch im neuen Stück "Lamento Allegro" so frei und offen wie die künstlerische Herangehensweise. Die Inszenierung entstand im Austausch mit den Tänzer/innen und Schauspieler/innen. Sie schlüpfen nicht in vorgegebene Rollen, sondern stellen sich über weite Strecken selbst dar - ein Theaterensemble.

Tanz, Performance, bildende Kunst

"Es ist ein bisschen Theater am Theater, und aus dem heraus entstehen auch die verschiedenen Bühnenbilder", sagt Max Kaufmann, seit 2014 künstlerischer Leiter des Serapions-Ensembles und Spielleiter des aktuellen Stücks. Worte werden nur wenige gesprochen - an ihre Stelle treten Tanzperformances, die an uralte Rituale erinnern. Bühnenausstattung und Kostüme stammen zum Teil von Max Kaufmann, zum Teil auch noch aus der jahrzehntelangen Arbeit seiner 2014 verstorbenen Mutter Ulrike Kaufmann. Dazu kommt Musik von Goran Bregovic, Meredith Monk und Philipp Glass.

Ein wenig erinnert die Geschichte vom klagenden Oasenmann freilich auch an das Schicksal des Odeon-Theaters selbst, das seit langem mangelnde Unterstützung durch die öffentliche Hand anprangert. Auch die Arbeit an "Lamento Allegro" konnte man so erst mit Verspätung beginnen. "Bei uns sind alle Leute angestellt", sagt Erwin Piplits. "Und es wäre uns lieb, das Ensemble zum Beispiel länger anstellen zu können, als uns das jetzt möglich ist."

Doch eines hat das Theater dem Oasenmann voraus: Seine Freiheit, so Erwin Piplits, habe es in all den Jahren nicht verschenkt.

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