Christoph Hein

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Anekdotenband

Christoph Heins "Gegenlauschangriff"

Einen "Gegenlauschangriff" unternimmt Christoph Hein in seinem neuen Buch, einem Anekdotenband, wie er es nennt. Kaum ein Schriftsteller hat die jüngste deutsche Geschichte so intensiv begleitet wie er. Von der frühen DDR-Novelle "Der fremde Freund" über "Horns Ende", 1985 gewürdigt als einer der mutigsten Romane über den Stalinismus in der DDR, bis zu "Trutz" - immer wieder hat Christoph Hein die deutsch-deutschen Befindlichkeiten auf den Punkt gebracht. Heute feiert er seinen 75. Geburtstag.

Morgenjournal | 08 04 2019 - Christoph Hein startet "Gegenlauschangriff"

Kristina Pfoser

Christoph Hein gilt als der Chronist der deutsch-deutschen Gegenwart. "Genaues Hinschauen, genaues Erzählen", das sei die zentrale Aufgabe von Literatur, erklärt er und verweist auf Homer: "Bei Homer kann man etwa ein antikes Gastmahl mithilfe seiner Texte genau nachtstellen, aber auch die Kriegführung von damals ist in seinen Texten genau nachvollziehbar. Das hat er alles sozusagen nebenbei geleistet. Diese Genauigkeit der Aufzeichnung der Zeit - das halte ich für eine Aufgabe der Literatur."

Kulturjournal | 08 04 2019 - Interview mit dem Autor

Kristina Pfoser

Erinnerungsarbeit

"Erinnere dich." - Das ist der erste Satz in seinem ersten Roman "Horns Ende". "Erinnere dich", das ist ein Appell, den Christoph Hein auch an sich selbst richtet. Erinnern, das sei auch die Hauptarbeit des Schriftstellers, sagt er. "Gegenlauschangriff" heißt das jüngste Ergebnis dieser Arbeit, es sind Szenen aus dem Leben des Autors - aus der Zeit der DDR, der Wendezeit bis in die Gegenwart. "Anekdoten aus dem letzten deutsch-deutschen Kriege" verspricht der Untertitel.

Buchcover

SUHRKAMP VERLAG

Das Leben der Anderen

Eine der 28 Anekdoten hat schon für eine Kontroverse gesorgt: In "Mein Leben, leicht überarbeitet" schreibt Christoph Hein über Florian Henckel von Donnersmarcks vielfach ausgezeichnetem Film "Das Leben der Anderen" aus dem Jahr 2006, bei dem er im Nachspann als "historischer Berater" genannt wird. Dieser Film sei "bunt durcheinandergemischter Unsinn", "ein Gruselmärchen, das in einem sagenhaften Land spielt, vergleichbar mit Tolkiens Mittelerde", so Christoph Hein.

Im Interview erklärt er: "Wenn ich meine Erzählung in einen geschichtlichen Rahmen stelle, dann muss der stimmen, sonst ist das verlogen. Es sind Momente aus den 50er und 60er Jahren, die Florian Henckel von Donnersmarck darstellt, diese Bedrohungen habe ich auch erlebt, aber das kann er nicht in die 80er Jahre verlegen, als der Staat bereits zu zerbröseln begann." - Geschichtsvergessenheit wurde Christoph Hein vorgeworfen, er relativiere die Schrecken des DDR-Regimes, meinte die FAZ. Darauf angesprochen, zitiert Christoph Hein "Die Zeit", die auf den FAZ-Vorwurf reagiert hatte: "Auch eine Diktatur hat Geschichte."

Deutsch-deutsche Verhältnisse

Dem deutsch-deutschen Verhältnis gilt die letzte Szene in dem Buch. Da erzählt Christoph Hein von zwei Leserinnen, die gefragt nach ostdeutschen Autoren antworten: "Nein, so etwas interessiert uns nicht." - "Treffender", schreibt Hein, "lässt sich der gegenwärtige Zustand des deutsch-deutschen Verhältnisses - 30 Jahre nach der Vereinigung - kaum auf den Punkt bringen."

Service

Christoph Hein, "Gegenlauschangriff - Anekdoten aus dem letzten deutsch-deutschen Kriege", Suhrkamp

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