Helgi Jonsson

TINA DICO

Musik

"Intelligentle" - Helgi Jonssons neues Album

Der isländische Singer-Songwriter Helgi Jonsson veröffentlicht heute seine neue Platte. Über acht Jahre hat er sich dafür Zeit genommen. Der Titel ist dabei Programm: "Intelligentle" überschreibt Jonsson das Werk - eine Mischung aus Intelligenz und Sanftheit also. Beides passt und charakterisiert den Kern seiner Musik.

Diese verträumten Songs sind allerdings trotz Jonssons sanfter Stimme alles andere als romantisch verklärte Wohlfühloasen. Jonsson, der schon mit Sigur Ros gearbeitet hat, aber auch mit Leuten wie Damien Rice oder Philipp Poisel, setzt sich hier mit den großen Fragen auseinander. Dass das Album eine komplizierte Entstehungsgeschichte hatte, hört man nicht mehr.

Kulturjournal | 05 04 2019

David Baldinger

Schon vor zwei Jahren hätte Helgi Jonssons "Intelligentle" erscheinen sollen. Die Songs waren fertig, und eine große Plattenfirma wollte Jonsson ebenso groß herauszubringen. Man setzt sich zusammen, bespricht, mischt und nimmt auf. "Dann haben sich plötzlich meine Leute und die von der Plattenfirma zerstritten, und es kam nicht zustande", erinnert sich der Sänger.

Jonsson sitzt also auf einem fertigen Album mit Songs, die mit einigen Monaten Abstand plötzlich gar nicht mehr richtig klingen. Seine ästhetischen Parameter haben sich verschoben. "Als ich die Platte dann wieder hörte, wurde mir klar: Das kann ich so nicht veröffentlichen. Ich war einfach woanders, hab alles überarbeitet, zwei, drei Songs rausgeschmissen, vier neue reingenommen. Dazu neue Arrangements - und jetzt passt es wieder", erklärt Jonsson in steirisch gefärbtem Deutsch, das noch aus seiner Studentenzeit in Graz kommt.

Von Sigur Ros gelernt

Jonssons Gefühl für akustische und emotionale Räume, für das Schaffen einer für isländische Musik typischen melancholischen Weite baut auch auf seine Erfahrungen mit Kollegen wie Sigur Ros auf. Für sie spielte er Posaune. "Bei ihnen habe ich viel über Freiheit und Kreativität gelernt, darüber mich weiter zu pushen."

Mit seiner Frau, der Sängerin Tina Dico, teilt Helgi Jonsson Tisch, Bett und Studio. Das Paar hat drei Kinder, mit denen sie auf Tournee im Nightliner durch Europa fahren. Dico ist Jonssons erste Kritikerin, seine erste Hörerin. Er wiederum produziert ihre Alben.

Zwischen Liebe und dem Menschen aus dem Computer

Jonssons Lieder sind vielschichtige Sound-Basteleien. Wie "Other Than You", das seine Stimme auf schwebende Elektronik und sachte Klavierklänge bettet. Dass er auch schon Filmmusik komponiert und bei Musicals und Theaterproduktionen mitgeschrieben hat, hört man. Beziehungsfragen und die Liebe sind aber nicht die einzigen Themen auf "Intelligentle".

Im Titelsong geht es um wissenschaftliche Projekte, die versuchen, das menschliche Gehirn mit Hilfe eines Computers zu nachzubauen und einen Menschen quasi "upzuloaden". Für Jonsson eine erschreckende Vision. Längst keine Vision, sondern schockierende Realität ist für ihn hingegen der Klimawandel.

Gebt den Kindern das Kommando!

Jonsson nennt die aktuelle Politik ein "Verbrechen gegenüber ungeborenen Menschen". Dieses Verhalten bedeute "unfassbare Trauer und großes Leid für Menschen in der Zukunft - und wir wissen das". Viele Gründe, um hoffnungsvoll ins Morgen zu gehen sieht er nicht. Einen zumindest gibt es für den Familienvater dann aber doch. Die Generation seiner Kinder.

Wie schon der junge Herbert Grönemeyer will auch er ihnen das Kommando anvertrauen. Ohne die schwedische Aktivistin Greta Thunberg namentlich zu erwähnen, sieht Jonsson in der jungen Generation ein neues Bewusstsein. "Es sind die Kinder, die jetzt streiken. Als erste, organisiert und weltweit wenden sie sich gegen unsere Unfähigkeit, wirklich etwas zu unternehmen", sagt Jonsson. Skandinavisch schlicht, thematisch zeitgemäß, eingängig und wohldosiert und -überlegt füllt Helgi Jonsson auf "Intelligentle" isländische Klarheit in zehn elegante Songs ab.

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