Meir Shalev - Großmutter Tonia und die Politik

Mit "Meine russische Großmutter und ihr amerikanischer Staubsauger" hat der israelische Schriftsteller Meir Shalev einen internationalen Bestseller abgeliefert, als bissiger Kolumnist setzt er sich mit der politischen Situation in seiner Heimat auseinander. Derzeit ist er beim Festival Literatur & Wein in der Wachau zu Gast.

13. Mai 2019, 02:00

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Morgenjournal - Satire aus Israel bei Literatur & Wein

Meir Shalev meinte einmal, den größten Einfluss hätten die russischen Schriftsteller auf ihn ausgeübt. Gogol, Nabokow und Bulgakow, zählte er daraufhin auf und fügte dann noch hinzu, und meine Großmutter Tonia.

Großmutters Gespür für Geschichten

Großmutter Tonia wurde zur Hauptfigur in seinem Erinnerungsbuch "Meine russische Großmutter und ihr amerikanischer Staubsauger". Meir Shalev: "Sie kannte großartige Geschichten und konnte sie auch wunderbar erzählen. Sie wusste genau, wie man Spannung erzeugt und bis heute spreche ich mir beim Schreiben meine Sätze laut vor, um zu hören, ob die Melodie stimmt - und dieses Gefühl für Rhythmus habe ich von ihr."

Das Bad im Kuhstall

Großmutter Tonia kam in den 1920er Jahren nach Palästina, eine Pionierin, die mit ihrem Mann einen landwirtschaftlichen Betrieb aufbaute. Und was hat es mit dem amerikanischen Staubsauger aus dem Buchtitel auf sich? "Es war nicht ganz einfach mit ihr", gibt Meir Shalev zu, "weil sie einen fast beängstigenden Sauberkeitswahn hatte. Wenn wir sie auf dem Bauernhof besuchten, ließ sie uns nie in ihrem Badezimmer duschen, sondern schickte uns zum Waschen immer in den Kuhstall."

Verrückte Freundschaften

Meir Shalev weiß mit seinem Humor zu beißen, als Romancier und als politischer Kommentator. Seine Kolumnen verfasst er für Israels zweitgrößte Tageszeitung "Jedi’ot Acharonot" und da gab es gerade zuletzt mit der Parlamentswahl am Dienstag einige Themen, die nach einer Reaktion verlangten. Wie etwa Benjamin Netanjahus mehr als seltsamer außenpolitischer Freundeskreis.

Meir Shalev: "Netanjahu hat es geschafft, weltweit Unterstützer unter den rechtsnationalen Staatschefs zu finden. Zu ihnen gehören Donald Trump und der brasilianische Staatspräsident Bolsonaro, aber auch der ungarische Ministerpräsident und das ist doch verrückt, dass ein jüdischer Premierminister derart freundschaftliche Beziehungen mit einem antisemitischen Staatschef pflegt."

"Gantz verstehe ich nicht"

Mit einem rechts wählenden Vater und einer links wählenden Mutter war Meir Shalev von Kindheit an angeregte politische Debatten gewohnt. Er selbst ist entschiedener Gegner von Netanjahus Politik, der, so Shalev, mehr mit Ängsten spielt als Visionen bietet.

Allerdings weiß Shalev auch mit Netanjahus schärfstem Konkurrenten Benny Gantz und seiner Wahlliste Blau-Weiß nicht allzu viel anzufangen: "Er fand zahlreiche Unterstützer, obwohl nicht jeder mit seinem politischen Programm einverstanden war. Ehrlich gesagt, weiß bis heute niemand genau, wofür er eigentlich steht, denn im Wahlkampf kamen von ihm sowohl nationalistisch-aggressive Töne als auch der Ruf nach Frieden. Irgendwie ein Mann für jede Jahreszeit."

Festivalmotto "Reisen zum Mittelpunkt der Erinnerung"

Zurück in die Wachau und zum Festival Literatur & Wein. Das dauert bis Sonntag und hat als Gäste noch Jaroslav Rudis, Erich Hackl, Karl-Markus Gauß oder Natascha Wodin zu bieten.