Klingelbrett

DYNAMOWIEN/FLORIAN JUNGWIRTH

Ein unterschätztes Königreich

Unbekanntes Jordanien

Einblicke in ein unterschätztes Königreich - "Nebenan: Jordanien" von 1. bis 8. Juni.

Geografisch im Windschatten des "Heiligen Landes" gelegen, fristet das Haschemitische Königreich Jordanien noch das Dasein einer relativ wenig besuchten touristischen Destination. Das verwundert. Denn die Kulturgüter und Naturwunder dieses unterschätzten Landes dienten bereits als Filmkulisse weltbekannter Hollywoodproduktionen.

Beduine vor Petra, historischer Ort in Jordanien

AFP/KHALIL MAZRAAWI

Gefragte Filmkulisse

In der Felsenstadt Petra schwang Harrison Ford in "Indiana Jones und der letzte Kreuzzug" seine Peitsche. In der grandiosen Wüstenlandschaft des Wadi Rum ritt Peter O’Toole als Lawrence von Arabien auf seinem Kamel gegen die Osmanen, und in "Der Marsianer" wartete Matt Damon in den rotbraunen, vom Vulkanismus und Wasser geschaffenen Felslandschaften auf seine Rettung.

Beduine vor Petra, historischer Ort in Jordanien

ORF/JOHANNES KAUP

Khazne Faraun (Schatzhaus des Pharao) in Petra.

Heute leben die Beduinen, Nachfahren der Karawanenführer, von den Tourist/innen. Polyglott und gastfreundlich versuchen sie, zwischen Tradition und Moderne ihre eigenständige Lebenskultur zu bewahren.

Ausgrabungen und Wüstenschlösser

Aber auch andere Attraktionen Jordaniens würden schon aufgrund ihres guten Erhaltungszustands und ihrer Größe mehr Aufmerksamkeit verdienen: die römischen Ausgrabungen von Jerash (Gerasa) und Umm Qais (Gadara) im Norden, die Kreuzfahrerburg Kerak, die Mosaike von Madaba und die zahlreichen Wüstenschlösser, die vor mehr als 100 Jahren übrigens vom österreichisch-tschechischen Jordanien-Forscher Alois Musil entdeckt und wissenschaftlich beschrieben worden sind.

Die bevölkerungsreichsten Landesteile Jordaniens liegen im Norden auf einer Höhe zwischen 800 und 1.200 Metern. Der Große Afrikanische Grabenbruch, der das Land vom Westjordanland und Israel im Westen abtrennt, hat mit dem Toten Meer einen - 430 Meter unter dem Meeresspiegel liegenden - hoch konzentrierten Salzsee geschaffen, in dem Tourist/innen baden und gleichzeitig Zeitung lesen können, ohne zu versinken.

Beduinen setzen Wasserkessel auf

Beduinen in einem Zelt in "Lawrence-Canyon" im Wadi Rum (Benannt nach Lawrence von Arabien, der dort mit den arabischen Stämmen die Angriffe auf die Osmanen vorbereitete).

ORF/JOHANNES KAUP

Zehn Millionen Einwohner

Im Haschemitischen Königreich Jordanien leben heute zehn Millionen Menschen auf einer Fläche, die nur wenig größer ist als Österreich. Mehr als die Hälfte der arabischen Bevölkerung sind zugewanderte Palästinenser/innen, die nach dem Palästinakrieg 1948 und dem Sechstagekrieg 1967 nach Jordanien geflohen waren und später das Bürgerrecht erhielten.

Gebäude

ORF/JOHANNES KAUP

Eines der vielen Luxus-Hotels in Amman.

Die meisten von ihnen leben im Großraum der Hauptstadt Amman, die binnen 100 Jahren von 4.000 Einwohner/innen auf mehr als 4,2 Millionen angewachsen ist. Seit der Jahrtausendwende sind zirka 2,5 Millionen Menschen wegen der Kriege im Irak, in Syrien und im Jemen nach Jordanien geflohen. Da die Lage in den Krisengebieten immer noch nicht sicher ist, ist es wahrscheinlich, dass ein großer Teil der Geflüchteten in Jordanien bleiben wird. Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten sowie Wohnraum und medizinische Versorgung müssen geschaffen werden.

An natürlichen Ressourcen arm

Wirtschaftlich ist das Land derzeit in einer Krise. Das liegt nicht nur an den Konflikten in seinen Nachbarländern und an hausgemachten ökonomischen Problemen, sondern ist auch dem Umstand geschuldet, dass Jordanien ein an natürlichen Ressourcen armes Land ist. Es hat weder Öl- noch Gasvorkommen und liegt bei der Wasserarmut weltweit an vierter Stelle.

Die Staatsverschuldung liegt bei 96 Prozent, die Inflationsrate bei 3,3 Prozent, und die Arbeitslosigkeit steigt von Jahr zu Jahr. Bei den 15- bis 39-Jährigen liegt die Arbeitslosenrate sogar bei 41,6 Prozent (Weltbank, 2018) und sinkt erst bei den über 40-Jährigen auf 16,8 Prozent. Also verwundert es wenig, dass ein Teil der gut Ausgebildeten der jungen Generation sein Glück im Ausland sucht - so die Möglichkeit dazu besteht.

Vorbildliches Zusammenleben

Das Zusammenleben zwischen Muslim/innen und Christ/innen gilt als vorbildlich. Was beide vor allen religiösen Unterschieden auszeichnet, ist, dass sie sich zuerst gemeinsam als Araber/innen und als Jordanier/innen fühlen. Wenn man dieselben historischen Erfahrungen und politischen Probleme miteinander teilt, wirkt das einend. Auch König Abdullah II. wird für seine zahlreichen Bemühungen um einen Religionsdialog und für das öffentliche Engagement für die indigene christliche Minderheit Jordaniens international gewürdigt.

Trotz vieler Probleme auf anderen Gebieten gilt Jordanien seit Jahrzehnten als der verlässlichste regionale Partner des Westens und als Garant für Frieden und politische Stabilität.

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