eine Szene aus "Le voyage dans la lune"

AFP/GABRIEL BOUYS

Filmkolumne

Träumen vom Mond

Im Kino ist derzeit die Dokumentation "Apollo 11" zu sehen. Ausschließlich mit Archivaufnahmen zeichnet Regisseur Todd Douglas Miller den Weg zum großen Schritt für die Menschheit am 21. Juli 1969 nach. Der Mond war schon seit den ersten Schritten des Mediums Film Projektionsfläche für Träume, Spekulationen und wilde Phantastereien. Er war Sehnsuchtsort und Abenteuerspielplatz.

Kulturjournal | 12 07 2019

Benno Feichter

Der Mond hat ein Gesicht, das eine Auge blickt zur Seite, im anderen steckt eine Rakete. George Melies hat sie im Jahr 1902 dorthin geschossen. "Le voyage dans la lune" gilt als erster Science-Fiction-Film und erster Traum von der Reise zum Mond auf der Kinoleinwand - erzählt in 260 Metern Film und 13.000 kolorierten Einzelbildern, mit der Kulisse als großer Bühnenmaschinerie.

Die Raumfahrer steigen bei Melies mit Gehstock und Zylinder aus der Kapsel. Sie bestaunen die ferne Erdkugel, spazieren zwischen riesigen Pilzen über die zerklüftete Oberfläche und werden von Mondbewohnern angegriffen.

Ein Traum, der Realität wird

Es war ein großer Traum, der von der Realität noch wesentlich weiter entfernt war als jene Mondmission, die sich Fritz Lang 1929 in "Frau im Mond" ausmalte. 1968, also ein Jahr bevor Neil Armstrong den Mond betrat, staunte Lang rückblickend über seine technischen Filmvisionen: "Wenn man heute, nach so vielen Jahren, den Abschuss der Rakete sieht: wie sie über die Stadt fliegt, den Flug durch das Weltall und den Abwurf der ersten Raketenstufe - dann glaubt man, wirklich eine Rakete zu sehen, die heute in Cape Kennedy abgeschossen wird."

384.000 Kilometer steht über einer strichlierten Linie in "Frau im Mond". Eine Distanz, die im Kino immer wieder zurückgelegt, erträumt und mit Bildern gefüllt worden ist, bis in den 60er Jahren die Realität der Lust an der Imagination einen Dämpfer verpasste. Kaum ein Regisseur wollte mit den Bildern, die Apollo 11 und Co zurück zur Erde schickten, konkurrieren.

Der Mensch in der Maschine

Stanley Kubrick war einer der wenigen, die in diesen Jahren auch auf der Leinwand mit "2001: A Space Odyssey" in den Weltraum flogen. Zum Mond und noch weiter. Und schon 1967 ließ Robert Altman den Countdown für den Abflug zum Mond im Kino herunterzählen. In "Countdown" hinterfragt er Technologiegläubigkeit und das Wettrennen - ohne Rücksicht auf Verluste - zwischen den Nationen.

Die vielen Rückschritte und menschlichen Tragödien auf dem Weg zu dem einen großen Schritt für die Menschheit, erzählte erst 2018 Damien Chazelle in "First Man". Selten im Kino war die Zerbrechlichkeit des Menschen in der Maschine so greifbar, wie in dieser oft klaustrophobischen Reise hin zu jenen legendären Sätzen, die die Apollo 11 Mannschaft am 21. Juli 1969 zurück nach Houston schickte.

Leben auf dem Mond

"Es ist schwierig zu vermitteln, wie gefährlich und extrem diese Missionen damals waren", fasst Hauptdarsteller Ryan Gosling die Mondmissionen der 60er Jahre zusammen. Was Gosling als Neil Armstrong in "First Man" aber erspart geblieben ist: das Zusammentreffen mit Mondbewohnern. Und von denen hat es seit George Melies im Kino einige gegeben.

In "Cat-Women of the Moon" bevölkerten 1953 verführerische Frauen die dunkle Seite des Mondes, die seit Jahrtausenden ohne Männer ausgekommen waren. Nur der Sauerstoff auf dem Mond wurde langsam knapp, weshalb sie es nicht bloß auf die Crewmitglieder, sondern auch auf die Erde abgesehen hatten.

1960 trafen die Astronauten in "12 to the Moon" auf unter der Mondoberfläche lebende Aliens, die Nordamerika einfrieren wollten. Perry Rhodan stieß 1967 auf gestrandete Außerirdische, und dann gab es da natürlich noch die Nazis, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg auf der Mondrückseite versteckt hatten und erst 2012 in "Iron Sky" entdeckt wurden.

Der Mond musste in der Kinogeschichte also schon für einiges herhalten. Aber, dass es ohne Mond nicht geht, das mussten Tom Cruise und die Menschheit 2013 im post-apokalyptischen "Oblivion" auf die harte Tour lernen.

In einem Krieg mit Außerirdischen waren da die Erde verwüstet und der Mond zerstört worden - was eine Reihe von Naturkatastrophen ausgelöst hatte. Die Menschheit musste auf eine Raumstation sowie den Saturnmond Titan umgesiedelt werden - muss man allerdings nicht gesehen haben. Dann lieber noch einmal vom Mond träumen mit Melies, staunen mit Lang oder zum Donauwalzer kreisen mit Kubrick.

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