Thure Erik Lund

ASCHEHOUG

Erstmals in Deutsche übersetzt

"Das Grabenereignismysterium" von T. E. Lund

"Wild" und "unübersetzbar", nennt Lunds gefeierter Landsmann Karl Ove Knausgard die Prosa seines zehn Jahre älteren Kollegen. Aber sie sei das Beste, das zurzeit aus Norwegen kommt. Übersetzer Mathias Friedrich hat den Versuch gewagt. 20 Jahre nach Erscheinen der Originalausgabe und rechtzeitig zu Norwegens Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse ist es Lunds erster von elf Romanen, der es ins Deutsche geschafft hat.

Ex libris | 29 09 2019
Antonia Löffler

"Das Grabenereignismysterium" ist der erste Teil einer Tetralogie, die von der Figur des Tomas Olsen Myrbraten lose zusammengehalten wird. Als der Übersetzer jüngst die erste, durchwachsene Besprechung des "Grabenereignismysteriums" im Internet fand, schrieb er fast verteidigend auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: "Ich glaube, man kann dieses Buch gar nicht wie einen realistischen Roman lesen."

Wie also liest man es dann am besten? Die Bezeichnung Satire trifft es nur zum Teil. "Das Grabenereignismysterium" ist die Geschichte des Aufstiegs und Falls des Menschenfeinds und Dauergriesgrams Myrbraten, der sich selbst als unverstandenen, brillanten "Geistesmenschen" versteht. Er sehnt sich nach einem verlorenen Naturzustand zurück und verstrickt sich immer tiefer in seiner gesellschaftsfeindlichen Philosophie. Das nimmt Bernhard’sche Züge an, wenn er mit der Heimat abrechnet, die nur mehr an die Dreifaltigkeit aus Unterhaltung, Kapital und Narkotismus glaube.

Buchumschlag

DROSCHL VERLAG

Erfolgreicher "Nestbeschmutzer"

"Das Grabenereignismysterium" wurde 2000 von der Tageszeitung "Dagbladet" auf die Liste der 25 besten norwegischen Bücher der letzten 25 Jahre gesetzt. Und auch sonst ist der im Ausland unbekannte Autor Thure Erik Lund in seinem Land ein Preisesammler.

Wer den Einstieg als Nicht-Norweger hinter sich bringt, erlebt, was Knausgard mit "wild" meint: Sprachliche und inhaltliche Grenzen zählen im weiteren Verlauf des Buchs immer weniger. Im Zentrum dessen, was als Handlung auszumachen ist, steht die Krise des Tomas Olsen Myrbraten. Sie beginnt mit seinem Gutachten: Durch die monatelange Beschäftigung mit Norwegen hat er akzeptieren müssen, dass auch seine "Herkunft in der Sprache und Geschichte" liegt. Dass er also selbst aus diesem verhassten Norwegen stammt und außerdem ein Gefangener des "Neusprechs" dieser norwegischen Gesellschaft ist - George Orwell lässt an dieser Stelle grüßen.

Sprachexperimente

Thure Erik Lund dehnt und formt die Sprache, wie er sie braucht, nicht wie sie die Gesellschaft zurechtgeschliffen hat - hier gibt es "mausohrhaarvibrierende" Worte, "humusbespritzte" Worte, "struppige" Worte. Dazu experimentiert Lund mit einer Bandbreite an Ausdrücken eines fast ausgestorbenen Dialekts und zusammenfabulierten Ortsnamen aus dem ostnorwegischen Landstrich des Protagonisten.

Übersetzer Mathias Friedrich hat zur Orientierung ein Glossar mit Erklärungen angehängt - mit der Bemerkung, dass manches nicht recht übersetzbar ist. Er habe sein Bestes gegeben. Eine leichte Kost ist das "Grabenereignismysterium" nicht. Eine Satire, über die der Österreicher ironisch schmunzeln kann, auch nicht wirklich. Folgt man Tomas Olsen Myrbraten dennoch auf seiner Flucht zwischen die Wortberge in die sumpfigen, moosigen Geistesspiele, kann es sich streckenweise lohnen. An anderen Stellen steht man etwas verloren da, wie auf einem der beschriebenen unwirtlichen Berghänge und will rufen: "Wird die Sicht da drüben klarer?"

Service

Thure Erik Lund, "Das Grabenereignismysterium", übersetzt von Matthias Friedrich, Droschl Verlag

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