Andre Holland and Joanna Kulig in einer Szene von "The Eddy".

AP/LOU FAULON

Jazz in der Vorstadt

"The Eddy" - Damien Chazelle im Serienmodus

Sein Musicalfilm "La La Land" wurde mit sechs Oscars ausgezeichnet, zuletzt hat Damien Chazelle Ryan Ryan Gosling als Neil Armstrong in "First Man" zum Mond geschickt. Mit "The Eddy" produzierte der 35-jährige US-Amerikaner jetzt erstmals eine Serie mit und inszenierte die ersten beiden Episoden auch selbst. "The Eddy" über einen Pariser Jazzclub ist jetzt auf Netflix zu sehen.

Die Tür zum Club öffnet sich und in einer fünfminütigen Fahrt durch das Kellerlokal gleitet die Kamera über die Gesichter der Protagonisten, vorbei an der Band hin zum einstigen New Yorker Starpianisten Elliot, der nach einem Schicksalsschlag nicht mehr selbst die Bühne betritt. Gemeinsam mit seinem Freund leitet er The Eddy und dessen Stageband, die von einem Mord, von finanziellen und privaten Turbulenzen, von Ermittlungen und Geldeintreibern immer wieder vom Spielen abgehalten wird.

"The Eddy" fühlt sich oft weniger wie einer Serie, mit einer durchgetakteten Dramaturgie an, als ein entschleunigter Indiefilm. Eine Langsamkeit, die in der Hollywood Maschinerie meist ein schlechtes Zeichen, hier aber essenziell gewesen sei, sagte Damien Chazelle kürzlich im Videochat mit Film Independent.

Es gibt hier keine glatt geschliffenen Szenen und Oberflächen, vielmehr ist es ein freies und intuitives Erzählen, in dem erst nach und nach eine Struktur erkennbar wird - mit viel Raum für die Musik, die live am Set eingespielt wurde, so Chazelle: "Das Arbeiten mit einem kleinen Team, fast wie bei einer Dokumentation. Mit der Kamera auf der Schulter durch die Straßen von Paris, und Jazzmusiker mit analogem 16-mm-Material zu filmen - das war schon sehr speziell!"

Die Musik gibt den Rhythmus vor

Die Hauptrollen spielen "Moonlight"-Darsteller André Holland und Joanna Kulig, bekannt aus Pawel Pawlikowskis "Cold War". Die Band wurde mit Profimusikern besetzt. Wie in Chazelles Jazzdrama "Whiplash" spiegeln sich in der Musik auch die emotionalen Achterbahnfahrten der Figuren wieder. Wobei "The Eddy" musikalisch immer dann umso spannender wird, wenn sich die Handlung weiter an die Ränder der multikulturellen Metropole vorwagt.

Ein Kriminalfall zieht sich als roter Faden durch die Handlung, der Fokus bleibt aber auf der Entwicklung der Charaktere. Behutsam wird der Figurenradius der Serie erweitert und in jeder Episode ein anderer Protagonist in das Zentrum gestellt. Damien Chazelle ist teils in Paris aufgewachsen. Und anders als in "La La Land", der bunten Verneigung vor L.A., blickt er hier weg von einem touristischen Paris. Weg von Jazzromantik an der Seine, hinein in die Gegenwart der Stadt: "Wenn man von Jazz in Paris spricht, dann denken die meisten gleich an die 50er und 60er Jahre. An Schwarz-Weiß-Fotos von Saxofonisten an der Seine. Ich wollte dieses Bild neu denken: zeitgenössischer Jazz in der Stadt der Gegenwart."

Während romantisierenden Klischees aus dem Weg gegangen wird, kippt "The Eddy" dann mit wechselnden Regisseuren immer wieder in die andere Richtung - hinein in die Klischees des Sozialdramas der Zurückgelassenen und Vergessenen in der Millionenmetropole. Aber obwohl die Geschichte in den letzten beiden, von "Six Feet Under"-Produzent Alan Poul inszenierten Episoden endet, wie ein Song, der nur langsam ausgefadet wird, bleibt bis zum Schluss dieser acht Serienstunden die Lust den Figuren und ihren Geschichten zu folgen.

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