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APA/DPA/BERND WEISSBROD

Wiener Staatsoper

Ballettakademie: Neue Leiterin, neue Vision

Fälle von Übergriffen und Demütigungen brachten die Wiener Ballettakademie letztes Jahr in die Schlagzeilen. Der neue Staatsopern-Direktor Bogdan Roscic will die Ballettschule jetzt künstlerisch und pädagogisch auf völlig neue Beine stellen. Umsetzen soll das die Griechin Christiana Stefanou, die mit 1. August die Leitung übernimmt. Wie kann die Reform gelingen? Ö1 hat bei zwei Insiderinnen nachgefragt.

Medizinische und psychologische Betreuung, die Einsetzung einer unabhängigen Kinderschutzbeauftragten, pädagogische Aus- und Weiterbildung für das Lehrpersonal: Was viele schon bald nach dem Bekanntwerden der Missstände an der Wiener Ballettakademie forderten, steht nun auch in einem Gesamtkonzept, das ein dreiköpfiges Expertenteam seit Februar erarbeitet hat, und das seit vergangener Woche vorliegt.

Die beiden Auftraggeber, der neue Staatsopern-Direktor Bogdan Roscic und der von ihm bestellte Ballettdirektor Martin Schläpfer, bekennen sich in Pressestatements zu einer großen Reform der Ballettakademie, die designierte Direktorin Christiana Stefanou freut sich auf die produktive Zusammenarbeit. Für Interviews stehen die Genannten derzeit nicht zu Verfügung.

Ballettleitung wünschte "perfektes Produkt"

Ein unbeschriebenes Blatt ist Stefanou auch für Jolantha Seyfried, eine ihrer Vorgängerinnen. Dass Stefanou im Lebenslauf eine langjährige Erfahrung als Tanzpädagogin vorweisen kann und derzeit auch ihre Masterarbeit zu dem Thema schreibt, sieht Seyfried aber positiv: "Bis jetzt hat es genügt, dass man selber Tanzerfahrung hatte", so die ehemalige Leiterin der Ballettakademie. "Das darf nicht mehr genügen. Ich denke, es ist der richtige Weg."

Die fehlende pädagogische Ausbildung des Lehrpersonals sieht Seyfried als zentrale Ursache für die Übergriffe und Demütigungen, die Anfang des Jahres etwa auch an der Staatlichen Ballettschule Berlin bekannt wurden. Zudem seien Lehrer bisher ständig dem Druck des künstlerischen Leiters, also des Ballettdirektors, ausgesetzt gewesen. "Ich habe es selbst erlebt: Von der Leitung wird ein perfektes fertiges Produkt gewünscht. Mit diesem Produkt meine ich Menschen! Aber es ist so rübergekommen."

"Wer nicht brennt, wird nix!"
Ditta Rudle

Das Gesamtkonzept empfiehlt eine Evaluierung des Lehrpersonals unter Mitwirkung der Kinderschutzorganisation Die Möwe. Der Lehrplan soll um Fächer wie Tanzgeschichte, Tanz und Gesundheit oder Persönliche Entwicklung und Reflexion erweitert, eine Psychologin und eine weitere "Gouvernante", wie es heißt, angestellt werden. Die jährlichen Kosten dafür werden mit 862.000 Euro veranschlagt. Der langjährigen Tanzkritikerin Ditta Rudle ist diese Angabe jedoch zu unkonkret - und sie schlägt etwa die Entwicklung eines Stipendiensystems vor. "Damit die Schule nicht sagt: Wir brauchen das Geld, die oder den behalten wir bis zum Schluss." Den Kindern müsse rechtzeitig gesagt werden, wenn sie nicht geeignet seien - denn, so ist Rudle überzeugt: "Wer nicht brennt, wird nix!"

Hinter den Missständen in der Tanzpädagogik stecke aber auch ein veraltetes Bild der Tänzerinnen und Tänzer als fremdbestimmte Hochleistungskörper - eine Vorstellung, die bei allen Verdiensten auch der bisherige Ballettdirektor Manuel Legris vertreten habe, so Rudle. "Der war wirklich Lehrer, Vater und Direktor zugleich. Aber bei ihm waren die Tänzer Marionetten: Du machst das so, und nicht anders."

Ganz anders sei der künstlerische Zugang nun bei Legris' Nachfolger Martin Schläpfer, glauben Ditta Rudle und Jolantha Seyfried - und auch über die Erfordernisse einer modernen Ballettakademie wisse der Schweizer, selbst Gründer einer Ballettschule, Bescheid.

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