Ali Janka und Tobias Urban

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Episode 1

Gelitin über ihr Bild von Graz

Kulturschaffende über Ängste, Krise und Bedrohungsszenarien in unsicheren Zeiten. Den Auftakt zum neuen Ö1 Festival-Podcast zum steirischen herbst machen Ali Janka und Tobias Urban von der Künstlergruppe Gelitin. Den Sound zum Podcast liefert Manfred Engelmayr.

Who's Afraid of ... Gelitin?!

Was von fremden Städten in Zeiten von Corona in Erinnerung bleibt. - Die Langfassung dieser Ö1 Sendung im Ö1 Podcast hören

Mit viel verquerem Witz übersetzt die Künstlergruppe Gelitin seit mehr als 25 Jahren körperliche Zustände in ästhetische Formen; das vierköpfige Kollektiv trägt seine radikalen Ausstellungssysteme und soziale Interaktionen mit dem Publikum in die renommiertesten Museen der Welt. Was bleibt in Zeiten der Pandemie von der Welt übrig, wenn es schwierig geworden ist, sie zu bereisen? Der steirische herbst hat Gelitin beauftragt, aus ihrer Erinnerung einen Stadtplan von Graz zu entwerfen.

grazelatin city map 2020 (2020), Stadtkarte

grazelatin city map 2020 (Ausschnitt)

GELITIN

Im Lockdown hatte Gelitin kaum Kontakt zu ihren Galerienvertretungen in Wien, Mailand, Paris und New York. "Ich glaube aber nicht, dass der Kunstmarkt unter der Pandemie besonders leidet", sagt Tobias Urban im "Who's Afraid of ..."-Podcast. "Wir Künstler leiden schon darunter. Wir vermissen die soziale Komponente mit vielen Leuten wohin zu ziehen und Ausstellungen aufzubauen. Denn die meisten wurden abgesagt und jetzt stehen wir schon mit der Hose runter da."

Im Ausnahmezustand erprobt

Gelitin sind es gewohnt in der Kunst den Ausnahmezustand zu erproben. Ihr Projekt "B-Thing" (2000) war eine Nacht- und Nebelaktion, in die Gruppe im 91. Stock des World Trade Centers einen Balkon installiert haben. Mit Tantamounter 24/7 (2005) richteten es sich die Künstler in New York einer riesigen selbstgebauten Kopiermaschine ein, in der sie ohne jeglichen Außenzugang eine Woche überleben konnten. Galeriebesucher konnten Gelitin fortan Gegenstände in den "Tantamounter 24/7" schieben und die Künstlergruppe kopierte diese.

Unbehagen ist für uns ein wichtiges Gefühl

"Unser Interesse ist nicht primär die Angst, sondern die Möglichkeit uns und auch das Publikum zu verwandeln", meint Ali Janka von Gelitin im "Who's Afraid of ..."-Podcast, "Wir haben festgestellt, dass es Elemente von Panik gibt, die wir in eine Art Entspannung überführen wollen. Natürlich braucht es dafür eine gewisse Elastizität im Emotionalen, aber dann ist vieles möglich."

Wolfang Gantner, Ali Janka, Florian Reither und Tobias Urban haben schon Stofftiere in große Einmach-Gläser in Öl eingelegt. Einen 55 Meter großen rosa Stoffhasen in der Nähe von Genua als Landmark installiert und der natürlichen Verwitterung ausgeliefert. Die provokante Künstler-Boygroup ("Heute sind wir eher alte Säcke") hat einander mit erigierten Penissen in der Wüste Mexicos fotografiert, ihre Schlachten mit vermeintlichem Kot und Gatsch geführt oder wie Fleischstücke in Vakuum verpackt. Ob mit übergroßen Rutschen, Nasen, Rohren und anderen überdimensionierten Skulpturen, Gelitin laden ihr Publikum gerne zur Interaktion. "Das Unbehagen ist für uns ein wichtiges Gefühl. Wenn man es sich zu sehr in der Komfortzone einrichtet, passiert in einem selbst auch wenig. Man sollte aber die eigenen Ängste keinen Falls Anderen zur Instrumentalisierung überlassen."

Frau mit MNS-Maske vor dem Gesicht

ORF/ISABELLE ORSINI-ROSENBERG

Ö1 Podcast

Die ausführlichen Gespräche von Petra Erdmann und Thomas Edlinger finden Sie im Ö1 Festival-Podcast zum steirischen herbst.
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17 Episoden der Angst

Im Spannungsfeld zwischen persönlicher Erfahrung und künstlerisch-erzählerischer Reflexion fragt der Ö1 Festival-Podcast zum steirischen herbst "Who's Afraid of ..." und liefert 17 Episoden der Angst: Können wir - angesichts des Virus - nicht einmal mehr uns selbst trauen? Kann man sich gegen Krisenerfahrungen immunisieren? Wie kommt man mit einer als unheimlich empfundenen Zukunft klar? Wie ansteckend ist Paranoia und wer profitiert von ihr? Wie lassen sich die neuen Ängste zwischen Lockdown und Verharmlosung künstlerisch bearbeiten?

Mit Kulturschaffenden und Protagonistinnen des steirischen herbstes 2020 führen Petra Erdmann und Thomas Edlinger Gespräche über Ängste, Krisen und Bedrohungsszenarien in unsicheren Zeiten; die Atmosphäre des Ausnahmezustands vertont der Soundkünstler Manfred Engelmayr.

Service

PARANoIA TV - Programm zum steirischer herbst ´20
PARANoIA TV - grazelatin city map 2020
Gelitin

Gestaltung

  • Petra Erdmann

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