Das Buch des Monats von Monika Helfer.

HANSER VERLAG/ORF/ISABELLE ORSINI-ROSENBERG

März 2021

Monika Helfer, "Vati"

Monika Helfers Roman "Vati" ist das Ö1 Buch des Monats März.

Monika Helfer ist eine Wahrheitssucherin. Eine sensible Erzählerin der eigenen Familiengeschichte, die aber auch deutlich werden kann, wenn es um Widersprüche und Lebenslügen geht. Das hat die Schriftstellerin schon im Vorgängerbuch "Die Bagage" gezeigt, in dem die Herkunft der Mutter im Mittelpunkt steht.

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Die wuchs am Rande eines Dorfes in ärmsten Verhältnissen auf, in wirren Weltkriegszeiten, verspottet und bedrängt von den Mächtigen der bigotten Provinzgemeinde. Auch der Vater, um den es im neuen Buch geht, ist von zeithistorischen Umbrüchen gebeutelt: Er wurde als Soldat nach Russland geschickt, und nach schlimmen Erfrierungen im Kriegswinter musste ihm der Unterschenkel amputiert werden.

Der Kriegsheimkehrer Josef Helfer möchte partout jemand sein, der "in die neue Zeit hinpasste", und tatsächlich bekommt er trotz Behinderung eine passable Stelle, wird Verwalter in einem Erholungsheim für Kriegsopfer. Hier führt er schon bald ein strenges und eigenwilliges Regiment.

Familiäre Sprachlosigkeit in Worte gefasst

Monika Helfer ist einem Epochenproblem auf der Spur, nämlich der Egomanie von Männern, die der Krieg zum Krüppel machte und die ihre Rücksichtlosigkeit mit dem Verweis auf eigene Qualen entschuldigen. Sie scheut sich weder vor Pathos noch vor Pointen. Sie nutzt das Genre der Autofiktion, um Grundsätzliches über die Menschen in ihrer Umgebung zu erfahren, aber auch um die familiäre Sprachlosigkeit in Worte zu fassen.

Die Autorin ist eine äußerst versierte Dramaturgin ihres biografischen Materials, das zwar von guten und schrecklichen Erfahrungen, von lustigen und aberwitzigen Familiengeschichten lebt, aber vor allem aber von der literarischen Kunst, die Geschichte eines Menschen angemessen zu verdichten, Leerstellen als Spannungsmoment zu nutzen und Fragen zu formulieren, die uns alle angehen: Was wissen wir überhaupt über die Menschen, die uns aufwachsen sehen, und was können wir aus den Fehlern der vorangehenden Generationen lernen?

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Monika Helfer, "Vati", Roman, Hanser