Buchumschlag, Ausschnitt

KIEPENHEUER & WITSCH

Taugenichts-Roman

"Fahrtwind" von Klaus Modick

Joseph von Eichendorffs Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" gilt als ein Klassiker der romantischen Literatur. Der deutsche Schriftsteller Klaus Modick hat die Geschichte in die 1970er Jahre versetzt und lässt seinen Helden statt mit der Fidel mit der Gitarre und statt in der Droschke per Autostopp Richtung Süden fahren.

Eichendorffs Taugenichts wird von seinem Vater, einem Müller, wegen seiner Faulheit aus dem Haus geworfen, der Ich-Erzähler bei Klaus Modick heißt Müller und flüchtet in die weite Welt, weil er nicht die Firma seines Vaters übernehmen will.

Mit nicht viel mehr als seinem Gitarrenkoffer in der Hand, lässt sich der Ich-Erzähler von zwei Frauen im Cabrio mitnehmen. "Diese Taugenichtswelt, die bei Eichendorff beschrieben wird, dieses Märchenhaft-Romantische", so Klaus Modick, "das passt wunderbar in diese 60er-, 70er-Jahre-Atmosphäre, und auch der Glaube an die befreiende Wirkung von Poesie und Musik."

Über Wien nach Rom

Die Bekanntschaft mit den beiden Frauen gibt es auch bei Eichendorff, und ebenso entflammt auch Modicks Held in Liebe zu einer der beiden.

"Ich habe mich nicht sklavisch, sondern frei, an die Grundstruktur der Erzählung gehalten", sagt Klaus Modick über seinen Umgang mit der Eichendorffschen Romanvorlage. "Die Orte des Geschehens sind aber dieselben." Und so geht es wie bei Eichendorff zuerst nach Wien und dann weiter nach Rom.

Wirre Wirrnisse

In dieser Road-Novel, die nach Sonne, Salbei und Hanf riecht, findet der Ich-Erzähler dank seiner Lieder immer wieder Anschluss: eine junge Frau gibt ihm Quartier für die Nacht und ein schwules Paar auf Motorrädern verschafft ihm eine sorgenfreie Woche in einem Landhaus bei Rom.

Ein gehöriger Fahrtwind weht dem Leser entgegen, alles nichts gegen die Handlung bei Eichendorff, so Klaus Modick: "Die ist wirr und willkürlich, dagegen ist meine Handlung geradezu logisch. Ich habe mir auch viele Freiheiten herausgenommen, aber bei Eichendorff fragt man sich eigentlich bei jedem Kapitel aufs Neue, wie kommt er denn jetzt dahin?"

Buchumschlag

KIEPENHEUER & WITSCH

Ein Kontra der Nützlichkeit

Auch wenn "Fahrtwind" in den 1970er Jahren spielt, als Klaus Modick in seinen Zwanzigern war, geschrieben hat er den Roman jetzt. Aus gutem Grund und als klare Reaktion auf den Zeitgeist: "Dieses Nützlichkeitsdenken hat inzwischen ja unsere Gesellschaft auf allen Ebenen durchsetzt. Insofern tut es manchmal ganz gut, etwas entgegenzuhalten, und sei es nur etwas, was man sich erträumt oder wünscht."

Rotwein und Rotsehen

Traumleicht schwebt der Ich-Erzähler dahin, dafür sorgen Vino Rosso und ein zufällig entdecktes Hanffeld. Genauso wie bei Eichendorff erlaubt sich Klaus Modick aber auch ironische Spitzen, etwa gegen einen deutschen Dichter mit Rom-Stipendium, hinter dem sich unschwer der böse deutsche Dichterbube der 70er Jahre, Rolf-Dieter Brinkmann erkennen lässt.

"Ich habe mir immer gedacht, wie kann man nur so ein Miesepeter sein", sagt Klaus Modick. "Der beschimpft ja immer nur seine Mitstipendiaten, und findet das alles spießig, und Rom gefällt ihm überhaupt nicht. Da habe ich mir gedacht, ja, dem gebe ich mal einen Auftritt."

Überraschungslandung

Es gibt kein richtiges Leben im falschen hat Adorno gesagt, wohl aber ein besseres, meint Klaus Modick mit demselben Augenzwinkern, mit dem er seinen Roman geschrieben hat: "Sich einfach gehen lassen und schauen, wo man landet, darum geht’s eigentlich."

Mit diesem "Fahrtwind" kann der Sommer jetzt kommen.

Service

Klaus Modick, "Fahrtwind", Roman, Kiepenheuer & Witsch

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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