Marianne Moore und Muhammad Ali, 1922

JOHN LINDSAY/ASSOCIATED PRESS

Du holde Kunst

Marianne Moores Schule der Wahrnehmung

Acht Gedichte von Marianne Moore, einer Ikone der US-amerikanischen Moderne

Als sie populär wurde, in Talkshows über Baseball fachsimpelte, das Begleitheft zu Muhammad Alis Spoken-Word-Album "I Am The Greatest" schrieb, hatte Marianne Moore (geboren 1887 in Missouri, gestorben 1972 in New York) schon einen Großteil ihres Werks geschaffen und war für ihre "Collected Poems" u. a. mit dem National Book Award und dem Pulitzer-Preis (1952) ausgezeichnet worden.

T. S. Eliot, Hilda Doolittle, William Carlos Williams, Wallace Stevens, Ezra Pound und andere hielten Moores Gedichte für radikaler modern als ihre eigenen.

Marianne Moore 1935

GEMEINFREI

Marianne Moore, 1935

Bibliothekarin in New York

In ihrer Jugend begeisterte sich Marianne Moore für die Suffragetten-Bewegung um Anna Howard Shaw. In den 1920er Jahren arbeitete sie in New York als Bibliothekarin sowie als Herausgeberin der Avantgarde-Zeitschrift "The Dial", publizierte etwa Hart Crane; in den 1930er Jahren förderte sie Elizabeth Bishop, später Allen Ginsberg. Sie korrespondierte mit Ezra Pound, den sie nach dem Zweiten Weltkrieg während seines Zwangsaufenthalts im psychiatrischen Krankenhaus St. Elizabeths in Washington besuchte, dessen Mussolini-Begeisterung und Antisemitismus sie aber ablehnte.

In den literarischen Zirkeln New Yorks war sie eine bewunderte Figur der Avantgarde, während sie mit ihrer Mutter in einer winzigen Wohnung in Brooklyn hauste und spärliche Mahlzeiten am Badewannenrand sitzend einnahm.

Zitate der Mutter einfließen lassen

Ihre wichtigsten Gedichte entstanden unter dem - wenn auch meist indirekten - Einfluss der Mutter. Sätze von Mary Moore finden sich als Zitate in ihnen, beispielsweise "there are things that are important beyond all this fiddle" im Gedicht "Poetry" ("Dichtung"). Dieses Gedicht ist auch ein gutes Beispiel für die verwirrende Publikationsgeschichte von Moores Werk:

"Poetry" bestand bei der Erstveröffentlichung 1924 aus 30 Zeilen, wurde in den "Selected Poems" 1935 auf 35 Zeilen erweitert, um dann in den 1967 publizierten "Complete Poems" auf drei Zeilen zusammengekürzt zu werden. Die Fachwelt ist sich bis heute nicht einig, welche Version die "gültige" ist.

Marianne Moore und Muhammad Ali, 1966

Marianne Moore und Muhammad Ali, 1966

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Den Konventionen entrissen

Moores Lyrik ist eine Schule der Wahrnehmung. Scharfsinnig und energisch werden darin kollektive Vorstellungen von alltäglichen Dingen korrigiert, wird ihre Betrachtung der Konvention entrissen. T. S. Eliot bezeichnete Moores Gedichte als eher "deskriptiv" denn "lyrisch". Beschrieben werden Tiere, Pflanzen und Dinge - mit zurückhaltender Emotionalität. Die Empathie mit ihnen versteckt sich, und zwar hinter deren Oberflächen.

Moores Dichtung sucht die Erfahrung des Lebens, kreist nur um sich selbst, um aus dem Scheitern der Poesie bei der Erschaffung von Realität Erkenntnis zu gewinnen. In gebundener Rede, formal streng wie innovativ, rhythmisch geprägt vom Gebrauch der Schreibmaschine (Moore gehörte zu den ersten Autor/innen, die ausschließlich auf der Maschine schrieben) werden Fragen des Menschseins, ja der Moral gestellt.

"Arbeiten des Herkules"

Zu den "Arbeiten des Herkules", wie eines ihrer Gedichte titelt, gehört auch:

den Barden von allzu elastischer Erlesenheit zu lehren, dass man die schöpferische Kraft daran erkennt, dass sie den Gleichmut überwindet.

Die Dichter/innen sind die "Literalists of the Imagination", sie sind der Imagination "buchstäblich treu" (wie Jürgen Brôcan in "Dichtung" übersetzt). In "Der Turmarbeiter" beschreibt Moore ein Küstenstädtchen in fein verschobenen Perspektiven wie ein zum Leben erwecktes Gemälde. Diese Dichtung ist sich der Künstlichkeit ihrer Gegenstände stets bewusst, obgleich sie diese sinnlich darzustellen versteht.

Service

Poetry Foundation - Marianne Moore

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