Ausstellungsansicht

HDGÖ/LORENZ PAULUS

Haus der Geschichte

Neue Denkmäler braucht das Land

Normen aufbrechen, Raum beanspruchen und Klischees herausfordern - das möchte das Haus der Geschichte Österreich mit der gestern eröffneten Ausstellung "Zeit für neue Denkmäler". Die Schau im Foyer des Hauses ist eingebettet in den Themenschwerpunkt "Heimat großer Töchter", der seit dem vergangenen Weltfrauentag off- und online läuft.

Gezeigt werden konkrete Beispiele und Geschichten, bei denen Frauen von ihrer Handlungsmacht Gebrauch gemacht haben und durch oftmals vermeintlich kleine Aktionen große und nachhaltige Veränderungen herbeigeführt haben. Auch besonders marginalisierte Gruppen, wie schwarze Frauen oder intergeschlechtliche Personen sind in der Ausstellung repräsentiert.

Zehn Sockel, darauf überdimensionierte lila Objekte, wie beispielsweise ein Telefon, eine Farbtube oder ein Kugelschreiber - das sind die neuen Denkmäler, die im Haus der Geschichte Österreich geschaffen wurden. Ganz bewusst zeigen sie, anders als erwartet, keine Büsten von einzelnen Personen, sondern Symbole, die für Strategien stehen.

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Gedenken überdenken

Dafür hat sich das Ausstellungsteam bewusst entschieden, wie Kurator Stefan Benedek erklärt, denn es sei ihre Ansicht, "dass es einer demokratischen Gesellschaft weit angemessener ist, zu zeigen, wie Veränderung entsteht, als einzelne Personen wie Heldinnen und Helden zu verehren." Diese etwas andere Art der Denkmal-Setzung ist auch durch jüngste Entwicklungen inspiriert. Man denke beispielsweise an die Debatte zum Karl-Lueger-Denkmal in Wien.

Die Gesellschaft in Österreich, aber auch weltweit, ausgehend von den USA hätte in den letzten Monaten und im letzten Jahr darüber diskutiert, wie man im öffentlichen Raum an die Leistung von Einzelpersonen gedenkt und welche Personen dort geehrt werden, so der Kurator. Auch in Österreich gäbe es inzwischen viele Initiativen, die darauf aufmerksam machen, dass im öffentlichen Raum praktisch nur Männerfiguren geehrt werden.

Auch wenn das reine Ersetzen von diesen durch Frauen nicht das Ziel sei, stehen in "Zeit für neue Denkmäler" und dem Themenschwerpunkt "Heimat großer Töchter" im Haus der Geschichte seit März dennoch die Errungenschaften von Frauen im Mittelpunkt. Für Museumsdirektorin Monika Sommer geht es darum zu zeigen, wie sich Frauen in der österreichischen Gesellschaft durch kluge Strategien, Interventionen und Irritationen Gehör verschafft haben. Sie hätten damit "einen kleinen Beitrag dazu geleistet, dass die Gesellschaft ein bisschen anders wurde."

Aktionen mit nachhaltiger Wirkung

Das zeigt beispielsweise die Geschichte hinter der Farbtube, die an die Protestaktion feministischer Aktivistinnen gegen eine sexistische Palmers-Kampagne erinnert. Oder jenes Denkmal, das einen Haufen Aktenordner zeigt und für den Kampf einer Mutter und einer Tochter gegen bürokratische Hürden und Benachteiligung steht. Darunter ist ein Plakat zu sehen, auf dem folgendes zu lesen ist: "Seit vier Jahren blockieren wir den Verkehr beim Ein- und Aussteigen". Es stammt von einer Mutter und ihrer Tochter, die damit aus Tirol nach Wien gereist sind und das Büro des Verkehrsministers besetzt haben. Der Hintergrund der Aktion? Damals war es nicht möglich einen Behindertenparkplatz zu beanspruchen, wenn die Person mit Behinderung am Beifahrersitz eines Autos gesessen ist. Die Aktion zeigte Wirkung und die Gesetzeslücke wurde geschlossen.

Für Kuratorin Marianna Nenning illustriert das besonders gut den Gedanken der Ausstellung, das es möglich sei, durch die eigenen Handlungen Veränderung herbeizuführen. Dieser Beitrag ist zudem besonders, weil er aus der Bevölkerung gekommen ist. Denn wie bei vielen Initiativen im Haus der Geschichte gab und gibt es auch beim aktuellen Themenschwerpunkt die Aufforderung, sich durch Einsendungen an der Ausstellung bzw. dem Ausbau der Sammlung zu beteiligen, ein großes Anliegen der Direktorin.

Für die Bevölkerung - von der Bevölkerung

Denn das Haus der Geschichte Österreich versteht sich als Gesellschaftsmuseum, so Monika Sommer. Für die Direktorin heißt das, dass hier mit und für die österreichische Bevölkerung gearbeitet wird. Es gehe darum, gemeinsam Wissen zu gewinnen, und "durch dieses gemeinsame Arbeiten, durch dieses gemeinsame Geschichte-Schreiben, viele Perspektiven in unser Haus zu integrieren", so Sommer. Das ginge nicht, wenn die Bevölkerung nicht mithelfen würde.

Das Ausstellungsteam ist in der Recherche aber auch aktiv an Organisationen herangetreten, um neben historischen auch aktuelle Heldinnen und ihre Taten abzubilden. Beispielsweise an die IG24, die Interessensgemeinschaft für 24-Stunde-Betreuerinnen. Gemeinsam wurden Protestplakate ausgewählt und übernommen. Marianna Nenning spricht von einem aufeinander zugehen und miteinander kommunizieren. Ein Prozess, dessen Ziel es auch war, die Sammlung des Hauses nachhaltig diverser zu machen.

Dem Sexismus die Zähne ziehen

Eine Sammlung, die seit kurzem auch um eine Schlange aus Ton ergänzt wurde, die von Österreichs erster und der bisher einzigen Vizekanzlerin zur Verfügung gestellt wurde. Denn Susanne Riess (vormals Riess-Passer) wurde als Königskobra bezeichnet. In der Ausstellung wird sichtbar gemacht, wie man mit solchen sexistischen Anwürfen umgehen kann. Sie habe sich das nämlich zu eigen gemacht, erklärt Stefan Benedik. Denn auf die Anfrage, welches Objekt sie dem Haus der Geschichte Österreich für die dauerhafte, jahrhundertelange Aufbewahrung übergeben möchte, hat sie sich für eine Königskobra entschieden.

Daran würde man sehen, dass sie sich mit diesem sexistischen Beinamen angefreundet habe "und ihm damit sprichwörtlich die Zähne gezogen hat", so Benedik weiter. Dieses und andere Beispiele sollen dabei vor allem eines zeigen: "Jeder Mensch hat eine Agency, gewisse Dinge nicht zu tun oder eben zu tun. Wir alle haben Handlungsoptionen", so Direktorin Monika Sommer über die Botschaft der Zeit für neue Denkmäler. Eine kleine, aber informative Ausstellung, die anregt und motiviert.

Service

Haus der Geschichte Österreich - Heimat großer Töchter. Zeit für neue Denkmäler

Gestaltung

  • Julia Sahlender