Didi Drobna in einem Bunker.

BARBARA WIRL

Tonspuren

Die Hirtenberger Patronenfrauen

Über den historischen Hintergrund von Didi Drobnas Roman "Was bei uns bleibt"

"Si vis pacem, para bellum" (Willst du Frieden, rüste dich für den Krieg). Von diesem lateinischen Spruch rührt der Name einer der am häufigsten produzierten Patronen während des Zweiten Weltkriegs her, der 9-mm-Parabellum. Ein Kaliber, das auch vom größten Waffenproduzenten des "Dritten Reichs" hergestellt wurde: der Hirtenberger Patronenfabrik.

Hirtenberg ist eine niederösterreichische Marktgemeinde im Bezirk Baden. 1859 wurde dort ein Betrieb zur Erzeugung von Metallwaren und Geschosszündern gegründet, in weiterer Folge wurden auch Patronen produziert, u. a. für die k. u. k. Armee. In den nächsten Jahrzehnten florierte das Unternehmen, insbesondere während des Ersten Weltkriegs.

Arbeit für "Schutzhäftlinge"

Ab den 1920er Jahren wurde die Fabrik von Fritz Mandl geleitet, der in den 1930er Jahren mit Hollywoodstar Hedy Lamarr verheiratet war. Nach dem "Anschluss" wurde er, obwohl er die faschistische Ideologie unterstützt hatte, aufgrund seiner jüdischen Herkunft ins Exil gedrängt und musste die Hirtenberger Patronenfabrik an die deutsche Wilhelm-Gustloff-Stiftung zwangsverkaufen.

Die Hirtenberger Patronenfabrik war der größte Munitionshersteller im sogenannten Dritten Reich. Mehr als 2.800 Menschen arbeiteten in den vier Werken der Fabrik, davon überwiegend Frauen sowie ungefähr 500 Gefangene des KZ Mauthausen. Diese "Schutzhäftlinge" wurden 1944 in ein neu errichtetes KZ-Außenlager nach Hirtenberg überstellt.

Klara kann erst dem Enkel erzählen

Im Jahr 1944 ist auch ein Handlungsstrang von Didi Drobnas Roman "Was bei uns bleibt" angesiedelt: Die 18-jährige Klara kommt voller Stolz nach Hirtenberg, um dort als Fabrikarbeiterin ihren Beitrag zum Sieg zu leisten. Es herrscht eine Atmosphäre andauernder Angst vor Fliegerangriffen inmitten eines repressiven Systems, das Klara nach und nach zu hinterfragen beginnt. Doch reden kann sie darüber nicht. Erst Jahrzehnte später beginnt sie, ihrem Enkel Luis die Wahrheit über ihre Vergangenheit zu erzählen.

"Was bei uns bleibt" ist Didi Drobnas dritter Roman. Die 1988 in Bratislava geborene und in Wien lebende Autorin hat für dieses Buch akribisch recherchiert, unter anderem im betriebsinternen Museum des Unternehmens, nahm Kontakt zur Tochter eines damaligen Fabrikarbeiters auf, die ihr das Tagebuch ihres Vaters aus dieser Zeit zukommen ließ, und suchte im Wald rund um den Hirtenberger Lindenberg nach den Ruinen des KZ-Außenlagers, das nach dem Krieg von der russischen Armee gesprengt wurde.

Generationen hallt der Krieg nach

Mit ihrem Roman "Was bei uns bleibt" hat die Autorin nicht nur detailgetreu ein Stück (fast vergessener) österreichischer Geschichte aufgearbeitet, sie erzählt auch nuanciert und packend, welche generationenübergreifenden Auswirkungen der Krieg hatte. Für die "Tonspuren" ist Didi Drobna zu den Ruinen am Lindenberg zurückgekehrt.

Service

Ursula Prutsch, "Wer war Fritz Mandl", Molden Verlag
Didi Drobna, "Was uns bleibt", Roman, Piper

Didi Drobna

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