Friedericke Mayröcker, Wien 2018 (Ausschnitt)

JUERGEN TELLER

Schau in Wien

Kunst des Porträts: Juergen Teller

Er fotografierte Yves Saint Laurent, Kurt Cobain und Kate Moss, lichtete Charlotte Rampling nackt im Louvre ab und knipste Oscar-Preisträgerin Helen Mirren in der Badewanne. Jürgen Teller ist der Fotograf der Stars und ist selber ein Popstar der Fotografie. Von ihm porträtiert zu werden, gilt als Ritterschlag. Eine aktuelle Ausstellung in der Galerie Christine König würdigt den deutschen Fotografen als Meister des Porträts. Zu sehen sind auch Fotografien berühmter Österreicher und Österreicherinnen.

In ihrem Gesicht hat die Zeit tiefe Spuren hinterlassen, ihr Blick wirkt bestimmt und doch verletzlich, ihre Haltung abwartend - so als wäre sie eine Wandlerin zwischen den Welten. 2018 besucht der deutsche Fotograf Juergen Teller die hochbetagte Friederike Mayröcker in ihrer legendären Wohnung in der Zentagasse im 5. Wiener Gemeindebezirk und schießt eine Serie, die man als Verbeugung vor der eigenwilligen Poetin verstehen darf. Friederike Mayröckers Ruf dringt bis weit über die Grenzen Österreichs hinaus.

Das Bild ihrer Wohn- und Arbeitsstätte hat Juergen Teller mit seiner Serie international bekannt gemacht. "Es war ein unheimlich schöner Nachmittag. Diese erste Begegnung war sehr besonders. Wir haben uns sehr gemocht", erinnert sich Teller.

Die Papierarchitektur der Poetin

Berge von Papier, Zeitschriften und Notizen türmen sich in dieser Wohn- und Arbeitsstätte: Wer sich einen Weg durch die Räume bahnen will, muss eine Schneise durch diesen Dschungel des Geschrieben schlagen. Auf einem Bild, das Juergen Teller geschossen hat, verschwindet der schmächtige Körper der Dichterin in dem Gesamtkunstwerk. "Dieser Schauplatz selbst kann zum Gegenstand eines Porträts werden. Das Habitat dieser Dichterin war so speziell, dass es mir nie in den Sinn gekommen wäre, sie an einem anderen Ort zu fotografieren. In einem Studio wäre ich Mayröcker niemals so nah gekommen", so Teller.

Die Galerie Christine König in Wien widmet dem Porträtfotografen Juergen Teller eine Ausstellung und zeigt Bilder, die längst zu Ikonen geworden sind. Die kürzlich verstorbene Designerin Vivienne Westwood lichtet Teller als reife Venus mit Alabasterteint ab, den britischen Regisseur Steve McQueen fotografiert er auf politisch kontaminiertem Territorium, am Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Charlotte Rampling wiederum posierte für ihn nackt im Louvre. Doch wie schafft es Juergen Teller, seine großteils prominenten Modelle in intimen Momenten einzufangen? "Man muss natürlich auf die Person eingehen. Ich mag mit einer Person ein Abenteuer eingehen. Aber ich bin auch sensibel und achte die Grenzen des Gegenübers", sagt Juergen Teller. Der österreichische Essayist Franz Schuh, den Juergen ebenfalls porträtiert hat, scheut sich nicht davor, den deutschen Fotografen mit einem Alten Meister zu vergleichen.

Nackt im Louvre

"Tintorettos 'Weißbärtiger Mann'. Tintorettos Bild, das im Showbusiness des Kunsthistorischen Museums seinen Dienst tut, ist ein Meisterwerk, weil es dem Maler gelang, das principium individuationis in Reinkultur zu erfassen, also den stets vereinzelten Menschen - ohne die sozialen und modischen Accessoires von einst. So etwas spielt sich auch in den Porträt-Fotos von Juergen Teller ab. Aber während der gemalte Klassiker an der Wand des Museums die Idee einer Ordnung widerspiegelt, zeigt der Fotograf von heute das Unaufgeräumte des Daseins und wie sehr die Dinge des Alltagslebens den Menschen ihr Gesicht geben." (Franz Schuh)

1986 zieht Juergen Teller von Bayern nach London. Seit den späten 1980er Jahren arbeitete er wie sein deutscher Kollege Wolfgang Tillmans für die Lifestyle-Bibel "ID" und das Zeitgeistmagazin "The Face". Magazine, die in den 90er Jahren stilbildend gewesen sind. Juergen Tellers Aktaufnahmen des US-amerikanischen Supermodels Kristen McMenamy, deren Körper zwar strapaziert und ausgezehrt, gleichzeitig aber verführerisch schön aussieht, machten den Deutschen endgültig zu einem Popstar der zeitgenössischen Fotografie.

Vivienne Westwood, New York 2017

JUERGEN TELLER

Vivienne Westwood, New York 2017

Auf Tuchfühlung mit den Stars

"Wenn ich Mode fotografiere, sind die Kleider natürlich wichtig, aber viel wichtiger ist der Mensch, der drinsteckt", resümiert Teller, "ich interessiere mich für ihren Stil, ihre Körperlichkeit." Juergen Tellers visuelle Sprache hebt sich von der aalglatten Hochglanzästhetik gängiger Starporträts ab. Seine Modelle fotografiert Teller oft ungeschminkt: Man sieht Hautunreinheiten, Narben, Falten. Die Galerie Christine König präsentiert den Künstler nun als einen Meister der Porträtkunst, der auf die Filter der künstlichen Schönheit verzichtet.

Service

Die Ausstellung "Juergen Teller | Portraits" ist bis zum 4. März 2023 in der Galerie Christine König, Schleifmühlgasse 1a, 1040 Wien zu sehen.

Gestaltung