Weinbaugebiet Lavaux am Genfer See

EDGAR SCHÜTZ

Ambiente

Weltoffenes Genève

Am Lac Léman, dem Genfersee, in der französischen Schweiz

140 Meter schießt der Jet d’eau am Lac Léman, dem Genfersee, in die Höhe. Die Wasserfontäne ist das Wahrzeichen von Genf, einer besonderen Schweizer Stadt. Ist die Eidgenossenschaft dank ihrer vier Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch ohnehin schon multikulturell, gibt sich Genève besonders weltläufig. Hier haben die Vereinten Nationen einen Sitz, das Internationale Rote Kreuz ist hier zu Hause, und am Kernforschungszentrum CERN wird wahrlich grenzüberschreitend gearbeitet. Doch macht sich auch der medial postulierte "Röschtigraben" bemerkbar, der die Deutschschweiz in politischen Fragen mitunter symbolisch vom frankofonen Landesteil trennt. Das weiß Antoinette Aeschlimann.

Sie sei ja eine prototypische Schweizerin, meint die erfahrene Stadtführerin. Ihr Vater sprach Schwyzerdütsch, die Mutter kam aus der Romandie, dem französischen Landesteil. Genf sei weltoffen und denke etwa in Ausländerfragen oft anders als der Rest der Eidgenossenschaft. Sogar der Jet d’eau am Quai Gustave-Ador habe ja gewissermaßen Migrationshintergrund.

Uhren statt Schmuck

Über die Jahrhunderte etablierte sich in Genf eine Uhrmacherindustrie, die ab 1890 durch ein Wasserkraftwerk angetrieben wurde. Nach Feierabend gab es oft einen Überdruck, der mit einer Fontäne abgelassen wurde. Irgendwann war diese Technik überholt. Doch hatten die Menschen die abendlichen Wasserspiele liebgewonnen. 1951 wurde der Hochstrahlbrunnen an den See verlegt und die Kapazität ausgebaut.

Dass die Uhrenindustrie, die dem Wahrzeichen Pate stand, in Genf Fuß gefasst hatte, lag an den Religionswirren ab dem 16. Jahrhundert. Protestanten aus Deutschland, den Niederlanden, Italien und Frankreich fanden vor religiöser Verfolgung Zuflucht bei Jean Calvin. Der französische Reformator lebte ab 1536 im Stadtstaat Genf. Dort ließ der strenge Protestant das Tragen von Schmuck verbieten. Also verlegten sich die Goldschmiede auf das Uhrenhandwerk. Die Migrationsströme jener Zeit prägten das Stadtbild.

Sisi wollte den Dampfer nehmen

Das zeigen die Patrizierhäuser in der Altstadt wie auch die 52 Parkanlagen. Reiche französische Hugenotten errichteten einst am Seeufer Sommersitze mit weitläufigen Gärten. Später wurden sie zu Parks umgewandelt. Vielleicht war es ja auch diese Offenheit, die vor 125 Jahren fatalerweise Kaiserin Elisabeth von Österreich anzog, die unter der Enge des Wiener Hoflebens litt. Lokalzeitungen verrieten, dass es sich bei dem inkognito im Hotel Beau-Rivage abgestiegenen Gast um "Sisi" handelte. Das las auch der italienische Anarchist Luigi Lucheni. Am 10. September 1898 wollte die Kaiserin den Dampfer Genève nehmen. Auf dem Weg zum Hafen stach ihr Lucheni im Vorbeigehen mit einer spitzen Feile so schnell ins Herz, dass sie die Verletzung gar nicht bemerkte. Erst auf dem Schiff verlor sie das Bewusstsein und erlag letztlich ihren Verletzungen.

Der Attentäter nahm sich 1910 das Leben. Sein Kopf wurde in Formaldehyd gelegt. Die Gerichtsmediziner hofften, über die Schädelform Geisteskrankheiten oder kriminelle Neigungen zu erkennen. Ein Irrglaube. Den Topf mit dem Feuchtpräparat von Luchenis Haupt überstellte man in den 1980er Jahren an den "Narrenturm", das pathologisch-anatomische Bundesmuseum in Wien. 2000 wurde der Kopf bestattet und damit ein mit Genf verbundenes blutiges Kapitel österreichischer Geschichte geschlossen. Nahe dem Tatort steht jedoch seit dem 100. Todestag 1998 ein Sisi-Denkmal.