Da capo: Im Gespräch

"Ich bin beim Schreiben glücklich". Michael Kerbler im Gespräch mit Bernhard Schlink, Schriftsteller

"Der erste Satz eines Romans muss für mich so sein wie ein starker Nagel. Er muss die ganze nachfolgende Geschichte tragen" - dieser Überzeugung ist Christoph Ransmayr. Diesem Prinzip scheint auch Bernhard Schlink verpflichtet zu sein. Schlinks erste Sätze sind stark, ja müssen tragkräftig sein, denn die Geschichten, die diesen ersten Sätzen folgen, wiegen schwer. Es sind Lebensgeschichten.

Bernhard Schlinks "erste Sätze" zeichnen sich durch ihre Kürze aus. Nur vier Worte braucht es manchmal, zwölf im Maximum. Etwa jener in "Selbs Betrug": "Sie erinnerte mich an die Tochter, die ich mir manchmal gewünscht habe." Aber auch die Sätze, die - pointillistisch fast - vom Schriftsteller in seinen Romanen und Erzählungen nebeneinandergesetzt werden und schließlich ein facettenreiches Bild ergeben, sind kurz, prägnant, schnörkellos. Dort, wo sich Sprachstil, Wortrhythmus und Ausdrucksart spürbar verändern, dürfen dem Autor wichtige Passagen vermutet werden. Etwa in jenem Abschnitt des "Vorlesers", jenem Roman, der Bernhard Schlink weltberühmt machte, wo der Erzähler über vergangenes Glück notiert: "Manchmal hält die Erinnerung dem Glück schon dann die Treue nicht, wenn das Ende schmerzlich war."

"Der Vorleser" wurde in 39 Sprachen übersetzt und verfilmt. Was ihn aber, so Schlink, nicht verändert habe. "Ich war zu alt, als dass die neue Rolle mein Leben entscheidend hätte verändern können." Und er fügt hinzu: "Ich bin beim Schreiben glücklich, mag der Erfolg sein, wie er will."

Bernhard Schlink, geboren 1944 in Deutschland, ist Jurist und lebt abwechselnd in Berlin und in New York. Michael Kerbler spricht mit dem Autor über Sommerlügen und Lebenslügen, über die Macht des Wortes und die überforderte Menschenwürde.

Service

Bernhard Schlink, "Sommerlügen", Diogenes-Verlag, Zürich

Bernhard Schlink, "Der Vorleser", Diogenes-Verlag, Zürich

Bernhard Schlink, "Das Wochenende", Diogenes-Verlag, Zürich

Bernhard Schlink, "Vergangenheitsschuld: Beiträge zu einem deutschen Thema", Diogenes-Verlag, Zürich

Bernhard Schlink, "Vergewisserungen. Über Politik, Recht, Schreiben und Glauben", Diogenes-Verlag, Zürich

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