Tonspuren

Der weite Weg zurück. Der marokkanische Autor Tahar Ben Jelloun über die Erinnerung. Aufgezeichnet von Eva Roither

Es beginnt mit unauffälligen Verwechslungen, verlegten und nicht wieder auffindbaren Gegenständen, mit dem Vergessen von Begriffen und Wörtern. Eine zeitlang hält man es für charmante Verschrobenheit, eine Begleiterscheinung des Alters - bis die Symptome unverkennbar werden. Der marokkanische Autor Tahar Ben Jelloun, Jahrgang 1944, erzählt von der Alzheimer Erkrankung seiner Mutter. "Sie stiehlt sich davon", schreibt der "Prix Goncourt"- Preisträger in seinem Buch "Meine Mutter, mein Kind". Er berichtet von einem Frauenleben in Marokko, das von strenger Tradition bestimmt und über weite Strecken unglücklich verlaufen war. Von einer Mutter, die nicht mit ihrem Schicksal haderte: "Das Leben ist keine Verhandlungssache. Es ist ein Geschenk Gottes", prägt sie ihrem Sohn ein.

Im Gespräch, das in Tahar Ben Jellouns Pariser Wohnung stattfindet, erinnert sich der Autor auch an seine eigene Kindheit und Jugend in Fés und Tanger, den unbedingten Respekt, den man den Eltern entgegenbrachte, an die Monate im marokkanischen Disziplinierungslager, an die spätere Karriere als Schriftsteller in Frankreich sowie an die Tatsache, dass der Verfasser so berühmter Romane wie "Die Nacht der Unschuld" oder "Der korrumpierte Mann" ein Exemplar von jedem Werk der Mutter zu überreichen pflegte - allerdings nicht mit der Bitte, es zu lesen. "Sie blätterte es verkehrt herum oder richtig herum durch, sie hatte nie lesen und schreiben gelernt, dann sprach sie ein Gebet. Sie segnete es. Und ich fühlte mich geschützt."

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