Gedanken für den Tag

5. Juli 2011, 06:56

Der Himmel ist der Himmel - was sonst? - mit Wolkentupfern drauf. Wenn man aber Philosoph ist, kann es durchaus vorkommen, dass man am Frühstückstisch - mit Blick auf den Himmel - beginnt, über die "Transzendenz des Ego" nachzudenken. Oder beim Warten auf Frau und Tochter vor einem Modegeschäft beim samstäglichen Einkaufsbummel taucht plötzlich die Frage nach Sein oder Nichts auf.

Peter Strasser ist Professor am Institut für Rechtsphilosophie der Karl-Franzens-Universität in Graz und beschäftigt sich in seiner Arbeit unter anderem mit den philosophischen Grundlagen der Kriminologie und der praktischen Ethik sowie der Religionsphilosophie. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Die Kompetenz der Fledermaus
Vom Standpunkt des Witzigseins aus ist die deutsche Philosophie eine Katastrophe. Unter allen Philosophen deutscher Zunge war bisher nur ein einziger witzig: Odo Marquard. Freilich, um Marquards Pointen flüssig zu erzählen, muss man Zungenbrecher beherrschen. Frage: Wie ist es, ein Philosoph zu sein? Antwort: Man muss über "Inkompetenzkompensationskompetenz" verfügen, ein unsägliches Wort für einen unmöglichen Zustand.
Zum Beispiel: Philosophen sind inkompetent, die Frage des Lebens nach dem Tod zu beantworten, halten sich aber für kompetent genug, ihre Nachlebensinkompetenz zu kompensieren, indem sie die Frage so lange umformulieren, bis sich daraus eine kompetente Antwort ergibt. Hier die Antwort - der Name des Philosophen, der sie gefunden hat, soll gnadenhalber anonym bleiben -: "Angenommen, ein Flugzeug, das zehn Passiere an Bord hat, stürzt ab. Drei Passiere überleben, sieben sterben. Gäbe es ein Leben nach dem Tod, so hätten alle zehn überlebt. Folglich gibt es keines, quod erat demonstrandum, was zu beweisen war."
Wie also ist es, ein Philosoph zu sein? Der US-Philosoph Thomas Nagel stellte die Frage, wie es sei, eine Fledermaus zu sein. Und die Antwort? Selbst wenn die Fledermaus über die Frage nachdenken könnte, bliebe doch unklar, ob sie dann bloß wüsste, dass sie eine Fledermaus ist, oder aber mehr, nämlich wie es ist, eine Fledermaus zu sein.
Kann man also wissen, wie es ist, man selbst zu sein? Ja, aber nur in dem Sinne, dass man weiß, wie es ist, dass sich einem die Antwort auf diese Frage entzieht. Und eben dies ist unsere Inkompetenzkompensationskompetenz: Wir alle haben sie, das heißt, wir alle sind im Grunde Philosophen.

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