Gedanken für den Tag

von Zeynep Elibol. "Früchte des Ramadan"

In dieser Woche beginnt für Muslime und Musliminnen der neunte Monat des islamischen Mondkalenders, der Fastenmonat Ramadan. Das Fasten von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang während des Ramadan ist eine der im Koran verankerten religiösen Pflichten der Muslime. Das Fastenbrechen mit Einbruch der Dunkelheit - das sogenannte iftar - ist dann aber eine sehr freudige und gesellige Angelegenheit. Doch wie in anderen Religionen auch geht es beim Fasten nicht nur um den Verzicht auf Nahrung, sondern auch um die religiöse Besinnung und Erneuerung. So gesehen kann der Ramadan als eine Zeit verstanden werden, die dazu einlädt, sich der eigenen Werte wieder neu zu besinnen und diese auch zu hinterfragen.

Zeynep Elibol, die Leiterin der Islamischen Fachschule für soziale Bildung in Wien, fragt in den "Gedanken für den Tag" nach menschlichen Beziehungen, dem Ego, Bildung, Gewalt, Gender und der kulturstiftenden Kraft von Religion.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Fasten kann den Blickwinkel verändern, eingefahrene Strukturen auch im eigenen Leben durchbrechen und so den Blick öffnen für die Bedürfnisse und die Nöte des oder der anderen. Das habe ich schon oft im Ramadan erfahren. Für Musliminnen und Muslime beginnt gerade der Fastenmonat. Das Fasten vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang, dieser bewusste Verzicht kann helfen, Empathie für arme und bedürftige Menschen zu entwickeln. Die Erfahrung von Hunger und Durst lehrt die Nahrung und das Wasser mehr zu schätzen. Wenn man bedenkt, dass tagtäglich in Wien so viel Brot weggeworfen wird, dass damit ganz Graz versorgt werden könnte; wenn man bedenkt, dass jede sechste Sekunde ein Kind unter fünf Jahren an Unterernährung stirbt, dann gewinnt der soziale Aspekt des Ramadan noch mehr an Bedeutung. Muhammad Friede sei mit ihm sagte, dass ein Muslim, eine Muslimin nicht wirklich gläubig ist wenn er oder sie satt ist und der Nachbar oder die Nachbarin hungert. Darum gehört zum Ramadan auch die Pflicht - zumindest für jene, die es sich leisten können - für Arme und Bedürftige zu spenden. Ohne diese Spende, so die Überzeugung, kommt das Fasten des Muslims bei Allah nicht wirklich an.
Ich habe es anfangs schon erwähnt: Fasten kann den Blickwinkel verändern, eingefahrene Strukturen auch im eigenen Leben durchbrechen und so den Blick öffnen für die Bedürfnisse und Nöte des oder der Anderen. Aber das geschieht nicht einfach automatisch, es erfordert auch die eigene Bereitschaft, sich auf diese intensive Erfahrung einzulassen:
Jeder und Jede macht seine oder ihre persönliche Erfahrung und verändert etwas. Manche mehr, andere weniger. Einfach mit der Gemeinschaft zu fasten und vielleicht den ganzen Tag zu verschlafen, was ja durchaus auch passiert, das sei, so meinte der Prophet, "wie wenn man ein Schaf anbindet und es einfach hungern und dursten lässt".
Der Ramadan ist ein Monat wie ein Baum mit vielen Früchten. Manche nehmen sich gar nichts, andere mehr oder weniger. Mein Ziel ist es, aus dem bewussten Verzicht eine reiche Ernte für das eigene Leben zu gewinnen.

Service

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Playlist

Titel: GFT 110801 Gedanken für den Tag / Zeynep Elibol
Länge: 03:50 min

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