Gedanken für den Tag

von Rudolf Taschner. "Sechs Fragen zur Gerechtigkeit"

"Was ist denn schon gerecht? Der Ort unserer Geburt? Unsere Herkunft? Unsere Gene, die scheinbar Schicksal spielen? Der Zufall, der uns vor einem Unglück bewahrt, oder uns über Nacht zum Millionär werden lässt?", das fragt Rudolf Taschner, Professor an der Technischen Universität Wien, Betreiber des "math.space"-MuseumsQuartiers und Autor des Buches "Gerechtigkeit siegt - aber nur im Film".

Gerechtigkeit auf dieser Welt gebe es nicht, meinen hoffnungslose Realisten. Doch das eigene Glück hängt nicht unbedingt davon ab, wie groß das Stück vom Kuchen ist, das man selbst abbekommt, hält der Mathematiker Rudolf Taschner dagegen und gibt einige Denkanstöße mit auf den Weg.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Gerechtigkeit und Gleichheit

"Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit sind."

Thomas Jefferson, der große Staatstheoretiker, hatte den eben vorgetragenen Text aus der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika maßgeblich gestaltet. Aus ihm spricht die Überzeugung, dass der Schöpfer selbst dafür Sorge trug, alle Menschen mit gleichen Rechten auszustatten. Hätten die Väter der Unabhängigkeitserklärung ihre Präambel auch ohne Bezug zu einem Schöpfer formulieren können? Wohl nur, wenn sie überzeugt wären, dass allen Menschen von Natur aus unantastbare Rechte zustehen.

Doch die Natur ist nicht gerecht. Sie ist auch nicht ungerecht. Das wäre sie nur, wenn sie unrechte Unterschiede schaffen wollte. Aber die Natur besitzt keinen zielgerichteten Willen. Sie ist schlicht regellos, chaotisch.

Es ist die Natur, die scheinbar mit den Genen spielt. Und damit Menschen mit den unterschiedlichsten Merkmalen, mit manchmal beneidenswerten Talenten, mit manchmal aber auch herzzerreißend beklagenswerten Abweichungen von der Norm ausrüstet. Jener Norm, die nichts anderes als den statistischen Durchschnitt darstellt.

Somit ist es eine Kulturleistung des Menschen, eine Leistung gegen die Natur, die Unterschiede nach Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Geburt oder Stand als unerheblich zu erklären, wenn es um die Rechte auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit geht. Nicht von Natur aus stehen allen Menschen unantastbare Rechte zu, sondern weil wir dies wollen.  "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst", ist nicht Gebot der Natur, sondern der von Menschen verfassten Heiligen Schrift.

Service

Buch, Rudolf Taschner, Gerechtigkeit siegt - aber nur im Film, Ecowin Verlag

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 110808 Gedanken für den Tag / Rudolf Taschner
Länge: 03:49 min

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