Gedanken für den Tag

von Michael Bünker. "Rosen statt Getreide" - vom Hunger in der Welt

"Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet", stellt der Schweizer Soziologe Jean Ziegler fest. Während mehr als fünf Millionen Menschen in Äthiopien hungern, züchtet eine indische Firma dort auf riesigen Plantagen Rosen für Europa.

Das ist kein Einzelfall: Agrarunternehmen aus Industrie- und Schwellenländern weichen wegen der hohen Bodenpreise in ihrer Heimat zunehmend in Entwicklungsländer aus, auch ans Horn von Afrika. Derweil leidet die Bevölkerung dort unter einer Hungersnot epochalen Ausmaßes. Diese Ernährungskrise geht auf Dürre und Krieg zurück. Hunger gehört am Horn von Afrika zum Alltag, während er in Europa seine Schrecken verloren hat.

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker spricht anlässlich des evangelischen Reformationstages über den Hunger in der Welt als Herausforderung und Anfrage an all jene, die von diesen ungerechten Strukturen profitieren.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Allerseelen. Kerzen brennen auf den Gräbern, die Menschen gedenken der Verstorbenen. Wenn der Tag zu Ende sein wird, werden wieder unzählige Menschen verhungert sein. Wohl ohne Gedenken und ohne Kerzen. Jeder sechste Mensch auf dieser Erde hungert. Tag für Tag sterben 25 000 Männer, Frauen, Alte und Junge und vor allem Kinder an den Folgen von Hunger und Unterernährung. Neun Millionen sind es im Jahr. 2005 hat die EU beschlossen, ihre Mittel für entwicklungspolitische Maßnahmen zuerst auf 0,56 Prozent, dann auf 0,7 Prozent des nationalen Reichtums anzuheben. Eines der Milleniumsziele sah vor, bis 2015 die Zahl der Hungernden auf der Welt zu halbieren. Mittlerweile ist die Milliardengrenze der Hungernden wieder überschritten und das ambitionierte Ziel liegt in weiter Ferne. Leider ist Österreich gerade dabei, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zusammenzustreichen. Es war ja noch nie wirklich ausreichend, die vereinbarten 0,7 Prozent des BIP blieben ein Lippenbekenntnis, real sind es derzeit 0,32 Prozent. Und es werden in den kommenden Jahren kontinuierlich weniger werden.

"Der Hunger ist ein Gegenstand" - mit diesen Worten beginnt Herta Müller in ihrem Roman "Die Atemschaukel" die Beschreibung des Hungerengels, der die Verschleppten im Lager heimsucht, ihre Wangen einfallen lässt, dass sie aussehen wie weiße Hasen, "Vor dem Hungertod wächst ein Hase im Gesicht", sagt sie.

Der Hunger ist ein Gegenstand.
Der Engel ist ins Hirn gestiegen.
Der Hungerengel denkt nicht. Er denkt richtig.
Er fehlt nie.

Evangelische sprechen vom Abendmahl, wenn sie miteinander im Sinne Jesu das Brot brechen.  Das Wort Brot - panis - hat in den romanischen Sprachen immer schon die solidarische Gemeinschaft dabei. Etwa in den Worten Kumpan oder Companero. Es ist ein Zeichen für die Welt. Das Vorhandene zu teilen, niemanden zu kurz kommen lassen. Es ist genug vorhanden und reicht für alle, wenn es gerecht verteilt wird. Kein Zufall, dass sich die evangelische Aktion für Entwicklungshilfe "Brot für die Welt" nennt.

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Titel: GFT 111102 Gedanken für den Tag / Michael Bünker
Länge: 03:49 min

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