Radiokolleg - Tragödie im Dreivierteltakt

80 Jahre "Geschichten aus dem Wiener Wald" (2). Gestaltung: Ulrike Tauss und Stefanie Wolff

Am 2. November 1931 wurden die "Geschichten aus dem Wiener Wald" am Deutschen Theater, der renommiertesten Bühne im Berlin der 1920er Jahre, mit sensationeller Wirkung uraufgeführt. Für den knapp dreißigjährigen Ödön von Horváth brach eine kurze Zeit des Erfolgs an, die mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jänner 1933 jäh endete. Den langfristigen Erfolg seines Stückes, das sich nach 1960 zu einem modernen Klassiker entwickelte und heute regelmäßig an großen wie kleinen Häusern auf die Bühne gebracht wird, erlebte er nicht mehr, er kam bekanntermaßen 1938 in Paris durch einen herabstürzenden Ast ums Leben.

Die perfekte Machart des Stückes - von den detailreichen Regieanweisungen bis hin zu Pausen im Sprechrhythmus ist alles durchkomponiert - und die Aktualität seiner Themen - prekäre Lebensverhältnisse und menschliche Abgründigkeit - stellen nach wie vor hohe Anforderungen an Regisseur und Schauspieler wie auch an alle weiteren Beteiligten eines Theaterbetriebs: Bühnen- und Kostümbildner, Dramaturg, Sounddesigner, Techniker für Licht, Ton, Bühnenmaschinerie und etliche mehr.

Die Autorinnen haben die Entstehung der aktuellen Inszenierung der "Geschichten aus dem Wiener Wald" im Wiener Akademietheater (Premiere war im April 2010) begleitet und dokumentiert. Arbeitsabläufe am Theater funktionieren heute nicht wesentlich anders als 1931. Unterschiedlich hingegen sind die zeitgemäßen Antworten, die einer Umsetzung erst Leben einhauchen.

Was macht die Faszination des Stückes eigentlich aus? Wie lassen sich die von Horváth verwendeten Klischees verstehen? Das walzerselige Wien, der ewige Spießbürger in seiner seichten Bewusstheit mit seinen faschistoiden Tendenzen? Die idyllisierte Heurigenlandschaft und schließlich das naive Vorstadtmädel, das versucht, sein Glück zu finden?

Diese Klischees rühren heute wie damals an den gesellschaftlichen Umständen, die nur wenigen ein geglücktes Leben ermöglichen. Für die Mehrheit bleiben die kleinen Vergnügungen. Horváth wollte seine Stücke als Tragödien verstanden wissen. "Geschichten aus dem Wiener Wald" lässt sich denn auch getrost als eine Tragödie im Dreivierteltakt bezeichnen.

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