Gedanken für den Tag

von Manfred Scheuer. "Einbrechen in die Felder der Gewohnheit"

Der Advent kann eine Aufbruchszeit sein, eine Einladung, der Hoffnung auf der Spur zu bleiben und mit der Verheißung Gottes zu rechnen, ist der Theologe und katholische Bischof Manfred Scheuer überzeugt.

Wem dies gelingt, der oder die wird hellhörig für das, was andere wirklich zu sagen haben, ein Mensch, der aufnahmefähig und bereit ist, selbst mitten im Lärm die leisen Botschaften mitschwingen zu hören. Solche hörende Menschen werden dann vielleicht auch die Botschaften wahrnehmen, die die biblischen Adventtexte enthalten, sie werden sich anregen und infrage stellen lassen. Und vielleicht werden sie aufbrechen aus dem allzu Gewohnten, dem allzu Eingefahrenen.

"Wenn die Propheten einbrächen durch Türen der Nacht, mit ihren Worten Wunden reißend, in die Felder der Gewohnheit, Ohr der Menschheit würdest du hören?", so drückt der Bischof mit der Dichterin Nelly Sachs die radikale Anfrage aus.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Schweigen und Hören

"Das Brot und das Wort sind Kleingeld geworden. Wir beten um tägliche Abfallkübel", schreibt Christine Busta. Die Sprache ist vielfach müde, kraftlos und oberflächlich geworden. Breit macht sich eine zunehmende Sprachlosigkeit: Abgeholzt ist die Sprache der Sehnsucht, Worte für personale Begegnung sind ausgeblutet oder durch das Vielerlei der unverbindlichen Rede verraten.

"Die Seele braucht die Stille und die Sammlung", schreibt der am 1. Dezember 1916 verstorbene selige Charles de Foucauld. Und weiter heißt es da: "Genau in dem Maß, in dem der innere Mensch in ihr Gestalt gewonnen hat, wird die Seele später Frucht tragen. Wenn dieses innere Leben gleich Null ist, dann helfen kein Eifer, keine guten Absichten, kein noch so großes Maß an Arbeit, dann sind die Früchte gleich Null. Man kann nur geben, wenn man selber hat."

Das Schweigen ist ein Weg, auf dem ich mir selbst begegnen kann, das erfahre ich immer wieder. Schweigen meint dabei nicht bloß, dass ich nichts rede, sondern dass ich die Fluchtmöglichkeiten aus der Hand gebe und mich aushalte, wie ich bin. Wer das versucht, der entdeckt, dass es zunächst gar nicht so angenehm ist. Es melden sich Gedanken, Gefühle, Emotionen, Stimmungen, Ängste und Unlustgefühle. Verdrängte Wünsche und Bedürfnisse kommen ans Licht, unterdrückter Ärger steigt hoch, ausgelassene Chancen, nicht gesagte oder ungeschickt gesagte Worte fallen einem ein. Das Schweigen kann Ordnung in das innere Chaos unserer Emotionen und Aggressionen bringen, es bringt Klarheit in unser Herz, es entgiftet die Sprache. Das Schweigen dient dem Hören, dem Lauschen auf Gottes Wort. Als König Salomo von Gott einen Wunsch zur Erfüllung bekommt, sagt er: "Gib deinem Knecht ein hörendes Herz." (1 Kön 3,9)

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 111201 Gedanken für den Tag / Manfred Scheuer
Länge: 03:49 min

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