Gedanken für den Tag

von Manfred Scheuer. "Einbrechen in die Felder der Gewohnheit"

Der Advent kann eine Aufbruchszeit sein, eine Einladung, der Hoffnung auf der Spur zu bleiben und mit der Verheißung Gottes zu rechnen, ist der Theologe und katholische Bischof Manfred Scheuer überzeugt.

Wem dies gelingt, der oder die wird hellhörig für das, was andere wirklich zu sagen haben, ein Mensch, der aufnahmefähig und bereit ist, selbst mitten im Lärm die leisen Botschaften mitschwingen zu hören. Solche hörende Menschen werden dann vielleicht auch die Botschaften wahrnehmen, die die biblischen Adventtexte enthalten, sie werden sich anregen und infrage stellen lassen. Und vielleicht werden sie aufbrechen aus dem allzu Gewohnten, dem allzu Eingefahrenen.

"Wenn die Propheten einbrächen durch Türen der Nacht, mit ihren Worten Wunden reißend, in die Felder der Gewohnheit, Ohr der Menschheit würdest du hören?", so drückt der Bischof mit der Dichterin Nelly Sachs die radikale Anfrage aus.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Von Erbschaften

"Er hinterlässt einen Scherbenhaufen" - So kann man über einen Menschen hören, der eine Verantwortung und Aufgabe zurücklässt. Seine Entscheidungen, seine Arbeit, seine Weise, mit Menschen umzugehen, haben nicht aufgebaut, sondern zum Chaos geführt. Er hat bisherige Freunde gegeneinander aufgebracht, Beziehungen nachhaltig vergiftet; Feindschaften werden sich vielleicht über Generationen hin halten.

"Er hinterlässt einen Schuldenberg", d.h. er hat auf Kosten anderer gelebt, gewirtschaftet, spekuliert. Die Last müssen andere tragen. Sie verlieren ihren Arbeitsplatz, ihre Sicherheit, ihre soziale Rolle und ihre gesellschaftliche Identität. Nicht alle Erbschaften bergen ein Vermögen in sich. Manche müssen bei einem großen Minus anfangen.

Und dann gibt es die Ideologie der verbrannten Erde: In Kriegen wurden Städte und Ortschaften zu Ruinen, die Felder wurden beim Rückzug verwüstet. Indirekt gibt es diese Mentalität auch im Kleinen: Wenn es mir nicht gut geht, dann darf es anderen auch nicht gut gehen, wenn ich krank bin, dann dürfen andere nicht gesund sein, wenn wir entwurzelt sind, dann dürfen auch andere keine Heimat mehr bekommen.

"Es blüht hinter ihm her" - So lautet ein Wort von Hilde Domin. Von Jesus, auf dessen Geburtsfest sich jetzt im Advent viele Menschen vorbereiten, heißt es: "Er ist unser Friede." (Eph 2,14) In Jesu Gefolge, in seiner Hinterlassenschaft, ist Friede, weil er das Karussell der Gewalt, der Aggression und der Verachtung unterbrochen und Entfeindung und Versöhnungsbereitschaft gelebt hat. Es blüht hinter Jesus her, weil er einen Raum der Dankbarkeit hinterlässt, nicht eine Atmosphäre des Neides, des Ressentiments, des Zu-kurz-gekommen-Seins. Es blüht hinter Jesus, weil er Ehrfurcht vor der Würde der anderen und der Fremden vermittelte.

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Sendereihe

Playlist

Titel: GFT 111202 Gedanken für den Tag / Manfred Scheuer
Länge: 03:50 min

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