Radiokolleg - Grenzfall Kosovo

Exerzierfeld der Geschichte, Spielball der Politik (4). Gestaltung: Tanja Malle

Es steht 81 zu 112 gegen den Kosovo - denn die Mehrheit der insgesamt 193 Mitgliedsstaaten der UNO hat die im Jahr 2008 verkündete Unabhängigkeit des Landes von Serbien bis dato rechtlich nicht anerkannt. Was die politische Praxis betrifft, steht es hingegen 81 zu 112 für den Kosovo - denn die Minderheit der Unabhängigkeitsbefürworter hat sich durchgesetzt: Seit 1999 wird das Land von der UNMIK, der UNO-Mission im Kosovo, interimistisch verwaltet. Und seit Ende 2008 durch die EULEX, die Rechtsstaatlichkeitsmission der EU, überwacht. Dennoch wird der Kosovo regelmäßig von demokratiepolitischen Skandalen heimgesucht - insbesondere machen ihm Korruption in den Reihen von Politik und Wirtschaft und organisierte Kriminalität zu schaffen.

Historisch - wie auch am Durchschnittsalter seiner Bevölkerung gemessen - ist der Kosovo das jüngste Land Europas. Die zentralbalkanische Landschaft hat keine lange staatliche oder regionale Tradition, aber dennoch einen schweren Rucksack an Geschichte zu tragen. Die Mythologisierung und Instrumentalisierung der kosovarischen Vergangenheit hatte mehrmals drastische Auswirkungen auf die Lebensumstände der dortigen Bevölkerung. Zuletzt in den Jahren 1998/1999. Im Zuge des Kosovo-Konflikts kam es zu Massenvertreibungen und Massenmorden sowohl an der albanischen Mehrheitsbevölkerung wie auch an der serbischen Minderheit. Der Rucksack an Geschichte, die Abhängigkeit des Landes von der internationalen Gemeinschaft und seine (teilweise) politische Isolierung bedingen Armut, Stagnation und Unfreiheit seiner Bevölkerung, die in lediglich vier Länder der Welt ohne Visum einreisen darf.

Das Radiokolleg erkundet, ob und wie der Kosovo die Gratwanderung zwischen konkurrierenden Geschichtsbildern und Existenzkampf meistert.

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