Radiokolleg - Der "Herr Karl", Sinnbild des österreichischen Opportunisten

Vom Skandal zum Klassiker (3). Gestaltung: Robert Weichinger

Ein Mann wurschtelt sich zeitlebens durch, übersteht die Katastrophen seiner Zeit unbeschadet, einfach weil er es sich immer "richtet", immer mit den Wölfen heult, auf Veränderungen mit Anpassung reagiert.

Groß war die Aufregung, als im November 1961 ein von Qualtinger dargestellter "Störfaktor" als "Herr Karl" in die mit TV ausgestatteten Wohnzimmer der Österreicher "trat", einen behaglichen Opportunisten präsentierte, der all die Plattitüden und Ausreden gebrauchte, die der Homo austriacus selbst so gerne im Nachkriegsösterreich der Zweiten Republik verwendete. Und dann sagte dieser "Herr Karl" über den Einmarsch der Hitlertruppen in Österreich: "Also mir san alle ... i waaß noch ... am Ring und am Heldenplatz g'standen ... unübersehbar warn mir ... man hat gefühlt, ma is unter sich ... es war wie beim Heirigen ... es war wie a riesiger Heiriger ...! Aber feierlich."

Dies so direkt ins Gesicht gesagt zu bekommen, stieß vielen sauer auf, wie sich durch die Rezeptionsgeschichte des "Herrn Karl" leicht belegen lässt. Den Autoren Carl Merz und Helmut Qualtinger war es gelungen, die Winkelzüge des österreichischen Bewusstseins zu demaskieren.

Interessant ist, was aus der einstigen öffentlichen Erregung über diesen Parade-Opportunisten und Drückeberger geworden ist: Längst wird aus dem Monolog des "Herrn Karl" liebevoll zitiert, das Publikum ergötzt sich an seinen Unverschämtheiten und Gemeinheiten, der "Herr Karl" wurde zu einem Teil der Folklore. Aus dem einstigen Kulturskandal wurde ein Dauerbrenner, ein Klassiker.

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