Radiokolleg - Die Postmoderne

Vom Verschwinden der Eindeutigkeiten (1). Gestaltung: Gerhard Pretting

Zu Beginn der 1980er Jahre war die "Postmoderne" das Schlagwort der Stunde. Es gab postmoderne Architektur, postmoderne Filme, postmoderne Romane, postmoderne Musik. Und natürlich eine postmoderne Philosophie. Jean-François Lyotards Buch "Das postmoderne Wissen", das 1979 in Frankreich publiziert wurde, gilt als Gründungsmanifest. Lyotard erklärte darin die Idee der Moderne für gescheitert - und rief "Das Ende der großen Erzählungen" aus. An deren Stellte traten sogenannte Mikro-Erzählungen. Geschichten, die sich nicht mehr einer großen Idee wie dem Sozialismus verpflichtet fühlten, sondern von dem Heterogenen erzählten. Von der Vielfalt und von dem, was bis dahin ignoriert wurde.

Vor allem Frankreich war das Zentrum der postmodernen Philosophie. Neben Lyotard waren es vor allem Jacques Derrida, Jean Baudrillard oder Paul Virillio die das Denken dieser Zeit repräsentierten. Deren Texte umgab die Aura des Geheimnisvollen - auch deshalb weil sie oft nur schwer zu verstehen waren. Als "Eleganten Unsinn" bezeichnete der Physiker Alan Sokal einige postmoderne Denker und warf ihnen vor, die Wissenschaft zu missbrauchen.

Vielfalt statt Einfalt lautete ein Motto der Postmoderne. Nicht mehr die Innovation stand im Vordergrund, sondern die Kombinatorik des bereits bekannten. Pluralität und das Denken über die engen Grenzen hinweg, das zeichnete die Hervorbringungen der Postmoderne aus. Was mitunter auch dazu führte, dass Vieles banal und beliebig wirkte. Vor allem die postmoderne Architektur, in der verschiedenste Stilelemente ohne Zweck und Sinn zitiert wurden, wird heute kritisch betrachtet.

Was sind die Errungenschaften der Postmoderne? Wie hat sie unser Denken und unser Leben verändert? Was ist von ihr geblieben? Und wo ist sie gescheitert?

Service

Jean Baudrillard: Der symbolische Tausch und der Tod, Dt. von Gerd Bergfleth, Gabriele Ricke und Ronal Voullié, Matthes & Seitz Verlag, München 1991
Jean Baudrillard: Transparenz des Bösen - Ein Essay über extreme Phänomene, Dt. von Michaela Ott, Merve Verlag, Berlin 1992
Zygmunt Baumann: Postmoderne Ethik, Dt. von Ulrich Bielefeld und Edith Boxberger, Hamburger Edition, Hamburg 1995
Roger Behrens: Postmoderne, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2004
Peter Bürger: Ursprung des postmodernen Denkens,Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2000
Gilles Deleuze / Félix Guattari: Rhizom, Dt. von verschiedenen Übersetzern, Merve Verlag 1977
Gilles Deleuze / Félix Guattari: Anti-Ödipus: Kapitalismus und Schizophrenie, Dt. von Bernd Schwibs, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1977
Italo Calvino: Wenn ein Reisender in einer Winternacht, Dt. von Burkhart Kroeber, Dtv, München 1985
Terry Eagleton: Die Illusionen der Postmoderne, Dt. von Jürgen Pelzer, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart 1997
Umberto Eco: Der Name der Rose, Dt. von Burkhart Kroeber, Hanser Verlag, München 1982
Karin Fleischanderl: Des Kaisers neue Kleider - Schreiben in Zeiten der Postmoderne, Wespennest, Wien 1994
Michel Foucault: Dispositive der Macht - Über Sexualität, Wissen und Wahrheit, Dt. von verschiedenen Übersetzern, Merve Verlag, Berlin 1978
Michel Foucault: Was ist Kritik?, Dt. von Walter Seitter, Merve Verlag, Berlin 1992
David Harvey: The Condition of Postmodernity, Blackwell, Malden MA, 1990
Anton Hütter, Theo Hug, Josef Perger (Hg.): Paradigmenvielfalt und Wissensintegration - Beiträge zur Postmoderne im Umkreis von Jean-François Lyotard, Passagen Verlag, Wien 1992
Frederic Jameson: Postmodernism - The Culturual Logic of Late Capitalism, Duke University Press, Durham 1991
Jean-François Lyotard: Das Patchwork der Minderheiten, Dt. von Clemes-Carl Haerle, Merve Verlag, Berlin 1977
Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen, Dt. von Otto Pfersmann, Passagen Verlag, Wien 1986
Jean-François Lyotard: Der Widerstreit, Dt. von Joseph Vogl, Wilhelm Fink Verlag, München 1987
Gerhard Pretting: Traurige Märkte - Warum die Banker den Eindruck erwecken, sie seien jahrelang bei französischen Philosophen in die Schule gegangen, Die Zeit vom 23.4. 2009, Hamburg
Utz Riese (Hg.): Falsche Dokumente - Postmoderne Texte aus den USA, Reclam Verlag, Leipzig 1993
Alan Sokal / Jean Bricmont: Eleganter Unsinn - Wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaft missbrauchen, Dt. Johannes Schwab, C.H. Beck Verlag, München 1999
Paul Virilio: Fahren, fahren, fahren ...,Dt. von Ulrich Raulf, Merve Verlag, Berlin 1978
Joseph Vogl: Das Gespenst des Kapitals, Diaphanes Verlag, Zürich 2010
Wolfgang Welsch (Hg): Wege aus der Moderne, Schlüsseltexte der Postmoderne Diskussion, Akademie Verlag Berlin, 1994
Wolfgang Welsch: Unsere postmoderne Modere, Akademie Verlag Berlin, 1990

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