Radiokolleg - Sonderweg Marokko
Eine maghrebinische Geschichte in vier Etappen (1). Gestaltung: Maria Reininger
6. Februar 2012, 09:30
Erstmals in der Geschichte Marokkos sind gemäßigte Islamisten an der Macht. Sie haben bei den Wahlen im November die Mehrheit der Stimmen errungen. Während in Ägypten Mubarak nach massiven Protesten gestürzt wurde und Libyens Diktatur blutig beendet wurde, scheint Marokko einen Umschwung ohne nennenswerte Probleme erzielt zu haben. Das ist zumindest die Oberfläche. Ob allerdings Marokkos größtes Problem, die allgegenwärtige Korruption, gelöst wird, ist mehr als fraglich. Die gemäßigten Islamisten wollen mit der bisher machthabenden Partei zusammenarbeiten. Und die Königsfamilie und ihre finanziell anspruchsvolle Entourage stehen offiziell nicht in Frage.
Zwar ist König Mohammed VI. den Demonstranten, die seit Februar 2011 auch in Marokko aktiv waren, entgegen gekommen. Er ließ die Bevölkerung über Verfassungsänderungen abstimmen, die seine Macht etwas beschränken. So war er im Herbst zum ersten Mal verpflichtet, den Vertreter der stimmenstärksten Partei zum Regierungschef zu machen. Wirklich angetastet wird seine Macht - zumindest vorerst - nicht.
Die Protestbewegung, in einen linken und einen radikal-islamischen Flügel gespalten, hat sich - anders als in anderen nordafrikanischen Staaten - anlässlich der Wahlen ausgeklinkt und zum Boykott aufgerufen. Ihre Bedeutung muss sie nun neu finden.
Nur wenige Menschen sprechen offen über politische Themen in Marokko. Immer noch wirkt die Angst aus der Zeit der Herrschaft Hassans des Zweiten nach, der bis in die späten 1990er Jahre mit brutaler Hand Oppositionelle ausschalten und foltern ließ. So ist auch die von Marokko besetzte Westsahara im Land selbst ein Tabuthema.
Nicht nur die Korruption, auch die weitverbreitete Armut ist ein Problem. Ein Problem, über das eine gerade erst entstehende Mittelschicht hinwegtäuscht. Doch die wirtschaftlichen Probleme der breiten Unterschicht sorgen möglicherweise weiter für Unruhe im Königreich. Das Radiokolleg berichtet über die historischen Hintergründe und Zukunftsaussichten der Entwicklungen in Marokko.
