Gedanken für den Tag

von Alexia Weiss. " Wenn Familie Grünwald das Fest von der Freiheit feiert - Gedanken rund um das jüdische Pessachfest". Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Familie Grünwald erlebt das jüdische Pessachfest auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Die Schriftstellerin Alexia Weiss erzählt an fünf Tagen von den Gedanken, den Gefühlen, den Eindrücken zum Pessachfest aus der Sicht von fünf Familienmitgliedern.

Elisheva Grünwald

Elisheva Grünwald fühlte sich erschöpft. Den größten Teil des Pessachputzes hatte zwar Svetlana, die Haushaltshilfe der Familie, erledigt. Aber auch das Einkaufen der koscher-le-Pessach-Nahrungsmittel, das Vorkochen, das Einfrieren war stressig gewesen. Zusätzlich zu ihrem ganz normalen Wahnsinn zwischen Werbeagentur und drei Kindern.

Es läutete an der Tür und sie war noch nicht einmal in ihr neues lila Seidenkleid geschlüpft. Robert mochte es von Jahr zu Jahr förmlicher zu Pessach. Konterkariert wurde diese Eleganz von seiner fast schon kindlichen Freude, wenn alle reihum aus der Haggada, der Geschichte des Auszugs der Juden aus Ägypten vorlasen. Diese strahlenden Augen, sie machten all die Mühe in den vorangegangenen Wochen fast wieder wett.

Ob ihre Mutter Pessach wohl auch immer als so beschwerlich empfunden hatte? Als modern-orthodoxe Familie mit deutschen Wurzeln in Israel war Pessach ein Fixpunkt des Jahreskreises gewesen. Woran sie sich am besten erinnern konnte? Wie sehr sie sich immer auf die ersten Matzebissen gefreut hatte. Und wie gut dann nach der einen Woche nur mit ungesäuertem Matze echtes Brot geschmeckt hatte. Und Kuchen aus herkömmlichem Mehl.

Roberts Mutter kam in die Küche. Angesichts der vollgestellten Arbeitsflächen hob sie die linke Augenbraue. "Er freut sich so", sagte Elisheva. "Ich weiß", antwortete die Mutter und küsste ihre Schwiegertochter auf beide Wangen. "Er kann wirklich von Glück sagen, dass er dich hat. Ich hätte diesen Firlefanz verweigert." Elisheva nickte mehrmals, presste ihre Lippen aufeinander. "Ich gehe mich umziehen", sagte sie.

Während sie nach einer passenden Strumpfhose suchte, stürmte Elias, ihr Dreijähriger ins Zimmer. Das weiße Hemd hing aus der dunkelblauen Hose. Sie setzte an, es wieder hineinzustecken, zog die Hand aber wieder zurück. Genau so sah er einfach entzückend aus. Heute würde er das "Ma nischtana" singen. Das Lied, mit dem der Jüngste am Tisch danach fragt, was diese Nacht von anderen Nächten unterscheidet.  Elisheva drückte ihn ganz fest.

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Titel: GFT 120411 Gedanken für den Tag / Alexia Weiss
Länge: 03:49 min

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