Tonspuren

Handtellergeschichten. Porträt des japanischen Schriftstellers Yasunari Kawabata. Feature von Judith Brandner

"Kawabatas Vorliebe galt, lapidar ausgedrückt, jungen Mädchen und der Töpferei", meinte einmal ein Kritiker. Kawabata gilt als Ästhet, als DER japanische Traditionalist. Als solchen sah ihn auch das Nobelpreiskomitee, das ihn 1968 mit der höchsten literarischen Ehre auszeichnete.

Doch entgegen seinem Ruf kann Kawabata durchaus auch als ein moderner Autor an der Schwelle zwischen dem "alten" und dem "neuen" Japan gesehen werden. Charakteristisch für seine Erzählungen und Romane ist die Schönheit des Details, auf die er seine ganze Aufmerksamkeit richtet. Berühmt wurde Kawabata mit Werken wie "Die Tänzerin von Izu", "Ein Kirschbaum im Winter" oder auch der bizarr-erotischen Erzählung "Die schlafenden Schönen". Sein Roman "Schneeland" gilt als eines der Meisterwerke der japanischen Romanliteratur der Zwischenkriegszeit.

Mit den "Handtellergeschichten" - skizzenhaften Kurzerzählungen, die sozusagen auf einer Hand Platz finden - entwickelte Kawabata eine Textform von extremer Kürze. Gesellschaftskritik findet sich in seinen Werken nicht. Vielmehr schreibt er über innere Gefühlswelten und lässt eine tiefe Einsamkeit spüren, eine Stimmung, die wohl auf frühe Kindheitserlebnisse des 1899 in Osaka geborenen Autors zurückzuführen ist.

Bereits im Alter von 10 Jahren hatte er Vater, Mutter, Schwester und Großmutter verloren, wenige Jahre später starb auch sein Großvater, bei dem er aufgewachsen war. Und so sind seine Protagonisten von stoischem Gleichmut angesichts des Todes gekennzeichnet. Am 16. April 1972, vor 40 Jahren, nahm sich Kawabata in seinem Arbeitszimmer in Zushi das Leben.

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