Gedanken für den Tag

Von Christine Hubka. "Der Geist weht, wo er will" - Gedanken zum Pfingstfest. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Vor dem Pfingstfest, das in christlichen Kirchen am folgenden Sonntag gefeiert wird, macht sich die evangelische Theologin und Autorin Christine Hubka Gedanken zum "Heiligen Geist". Dieser weht bekanntlich "wo er will" (Joh. 3,8). Und dort, wo er weht, gibt es überraschende Situationen. Neue, unerwartete Erfahrungen. Undenkbares ereignet sich. Auch im Alltag. Es gibt keinen Ort, wo der Geist nicht hinwehen kann, ist Christine Hubka überzeugt.

Kleine Alltagsgeschichten, die an ganz unterschiedlichen Orten spielen, erzählen von diesem Wehen des Geistes.

Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Auch und vor allem Religionsfreiheit:
Als Baby wurde Karin getauft. Gern ging sie in den Kindergottesdienst. Mit vierzehn wurde sie konfirmiert. Ich erinnere mich an sie als aufmerksame und fröhliche Konfirmandin. Als erwachsene Frau trat sie eines Tages zum Islam über. Seit damals trägt sie das Kopftuch und hält die Gebetszeiten. Mit ihrer damaligen Chefin hat sie alles besprochen: Das Kopftuch muss so gebunden sein, dass es in ihrer Arbeit kein Sicherheitsrisiko darstellt. Die Gebetszeiten kann sie mit ihren Pausen zusammenlegen. Die Kolleginnen und Kollegen haben sich in den vielen Jahren der Zusammenarbeit an diese Änderung gewöhnt und respektieren sie. Seit ihrer Hinwendung zum Islam hat Karin einige Karriereschritte gemacht. Früher als evangelische Christin, jetzt als Muslimin leistet sie hochqualifizierte, kompetente Arbeit. Als Kollegin und inzwischen Vorgesetzte geht sie sorgsam mit Menschen um. Die Familie war zuerst entsetzt. Der Kontakt brach ab. Aber inzwischen ist es normal, dass es bei Besuchen immer wieder kleine Unterbrechungen gibt, in denen sich Karin mit ihren Kindern auf kurze Zeit zum Gebet zurückzieht.
Es wäre auch seltsam, wenn unter uns ein Mensch schief angesehen würde, weil er betet. Tägliches Gebet ist ja auch für viele Christinnen und Christen selbstverständlich. Die fünf Gebetszeiten am Tag sind in allen christlichen Konfessionen bekannt. Manchmal aber wird Karin mit ihren Kindern auf der Straße angepöbelt. Da sagt dann jemand zu ihr: "Wie kommen wir dazu, mit unsern Steuern deine Brut zu erhalten." Karin spricht sonst Hochdeutsch. In so einem Fall aber antwortet sie in breitem Wienerisch: "Des müssen's net. I hab a Hackn. Ich bezahle ihre Pension!"
Der Geist der Freiheit - dort, wo er weht, ist es möglich und erlaubt, sich zu seinem Glauben zu bekennen, ohne schief angeschaut zu werden.

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Titel: GFT 120524 Gedanken für den Tag / Christine Hubka
Länge: 03:49 min

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