Gedanken für den Tag

9. August 2012, 06:56

Heute vor genau siebzig Jahren, wurde Edith Stein im Alter von 50 Jahren im Vernichtungslager der Nazis in Auschwitz-Birkenau ermordet. Stein, als Kind einer jüdisch-orthodoxen Familie geboren und aufgewachsen, konvertierte nach einer Phase des Atheismus als Erwachsene zum katholischen Glauben und trat schließlich in den Orden der Karmelitinnen ein. In ihrer autobiographischen Schrift "Aus dem Leben einer jüdischen Familie" beschreibt sie eine Begegnung im Jahr 1933:

"An einem Abend der Fastenzeit kam ich von einer Veranstaltung des Katholischen Akademikerverbandes spät heim. Ich weiß nicht, ob ich den Hausschlüssel vergessen hatte oder ob von innen ein Schlüssel steckte. Jedenfalls konnte ich nicht ins Haus. Ein vorübergehender Herr fragte, ob er mir behilflich sein könnte. Als ich mich zu ihm wandte, machte er eine tiefe Verbeugung und sagte: "Frau Dr. Stein, ich erkenne Sie erst jetzt." Er war ein katholischer Lehrer, der an einer Arbeitsgemeinschaft des Instituts teilnahm. Seine Frau und er luden mich ein und führten mich in ein schlichtes Münsteraner Bürgerhaus. Der Mann begann ein Gespräch und erzählte, was amerikanische Zeitungen von Gräueltaten berichteten, die an Juden verübt worden seien. Ich hatte ja schon vorher von scharfen Maßnahmen gegen die Juden gehört. Aber jetzt ging mir auf einmal ein Licht auf, dass Gott wieder einmal schwer seine Hand auf sein Volk gelegt habe, und dass das Schicksal dieses Volkes auch das meine war. Ich ließ den Mann, der mir gegenübersaß, nicht merken, was in mir vorging. Offenbar wusste er nichts von meiner Abstammung. Ich habe sonst in solchen Fällen meist sofort die entsprechende Aufklärung gegeben. Diesmal tat ich es nicht. Es wäre mir wie eine Verletzung des Gastrechts erschienen, wenn ich jetzt durch eine solche Mitteilung seine Nachtruhe gestört hätte."

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

• Gedanken für den Tag