Da capo: Tonspuren

"Ich bin niemand, den ihr kennt." Eine Begegnung mit der manichen Vielschreiberin der amerikanischen Literatur, Joyce Carol Oates. Von Alfred Koch

Jahr um Jahr wird die Schriftstellerin Joyce Carol Oates als Kandidatin für den Literaturnobelpreis genannt. Und Jahr um Jahr erscheint ein neues Buch dieser Autorin, die nicht nur auf Fotos scheu und zerbrechlich wirkt. 1964 erscheint ihre erste Geschichtensammlung "By the Northgate".

Seither hat die in Lockport, in der Nähe der Niagarafälle, als Kind armer Bauern aufgewachsene Oates mehr als 100 Bücher geschrieben: Romane und Short-Stories, Theaterstücke und Essays, Gedichte und Kinderbücher und sogar ein Sachbuch über Boxen. Es gibt Jahre, in denen zwei bis drei Bücher dieser so einschüchternd produktiven Autorin erscheinen, und weil ihr das alles noch nicht genug ist, schreibt sie nebenbei auch noch Psycho-Thriller unter dem Pseudonym Rosamond Smith. Daneben lehrt die von Literatur Besessene seit 1978 "Kreatives Schreiben" an der Eliteuniversität Princeton.

In ihren Büchern kippt die amerikanische Durchschnittsfamilienidylle häufig ins Gewalttätige; sie macht Serienmörder zu Ich-Erzählern, schreibt über Leiden und Leidenschaften, über Brutalität, Vergewaltigung und Betrug und lässt den amerikanischen Traum häufig zum Albtraum werden.

Als Oates in den 1960er Jahren zu schreiben beginnt, heißt es noch, eine Frau sollte über solche Dinge nicht schreiben. Heute gilt die mittlerweile 74-jährige Autorin als bedeutendste Erzählerin der USA, und selbst skeptische Journalisten haben es aufgegeben, ihre scheinbar maßlose literarische Produktivität anzuzweifeln.

"Was an Oates immer wieder fasziniert, ist ihre untrügliche Gabe, aus jeder Buchseite ein Fenster zur Welt entstehen zu lassen", meinte ein Kritiker der New York Times, "und das, was wir auf der anderen Seite sehen, ist das Leben selbst ..."

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