Gedanken für den Tag

Von Magdalena Miedl. "Durchs Brot die Welt" - Gedanken zum 'Welttag des Brotes'. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Mit dem Essen spielt man nicht, heißt es in vielen Familien. Bei uns war das nicht so. Mit dem Essen durfte immer auch gespielt werden. Mein Vater schnitzte lustige Gesichter in die Frühstücksbutter, und wenn das Honigbrot seltsam geformt war, bekam es ein Auge eingeritzt und wurde zum Raubfisch.

In Stefan Zweigs Schachnovelle wird das Brot einem Gefangenen in Isolationshaft zum Überlebenswerkzeug, und zwar nicht sein Nährwert, sondern seine Formbarkeit als Anstoß für seinen Geist. Brot lässt also eine Metamorphose zu, Brot ist nicht nur Nahrungsmittel, es kann viel mehr. Ich erinnere mich an den Kindheitsgenuss, aus einem frischen Semmerl das weiche Innere herauszuzupfen, an den karamelligen Duft der Kruste, und an den Hohlraum, der zurückblieb. Manche meiner Schulkollegen, die kein belegtes Brot von daheim hatten und zwei Schilling fürs Pausensemmerl mitbekamen, zupften nur, und spielten mit der Kruste dann Fußball. Mir kam das absurd vor, geradezu empörend.

Bis heute habe ich große Hemmungen, Essen wegzuwerfen, und bei kaum einem Lebensmittel ist die Überwindung so groß wie bei Brot. Was mir aber schon als Kind so falsch vorkam, ist heute im großen Stil wirtschaftliche Realität: Die immer größere Vielfalt, die wir beim Einkaufen fordern, und volle Regale bis kurz vor Ladenschluss haben zur Folge, dass viel mehr übrig bleibt. Bis zu einem Fünftel müssen Großbäcker als unverkaufte Ware wieder zurücknehmen. Ein deutscher Bäcker sagt dazu, früher habe ein Futtermittelhersteller seine altbackenen Reste abgeholt, um sie Schweinen zu verfüttern. Heute mahlt er das Brot, mischt es mit Holzpellets, und verfeuert es, um seine Backöfen zu heizen. Ein ganzes Atomkraftwerk könnte Deutschland einsparen, wenn alle Bäcker das tun würden.

Aber Brot verbrennen? Für mich, die schon die Idee von Biotreibstoff aus Getreide unmoralisch findet, ist der Gedanke schlimm. Ich koche aus Schwarzbrotresten Brotsuppe mit Rahm und Kümmel. Aus Brioche wird wunderbarer Kipferlschmarrn, und aus Weißbrot mache ich Semmelknödel. Ich mag die Herausforderung des Resteverkochens - und liege mit diesem großmütterlich ressourcenschonenden Ansatz sogar im Trend.

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Titel: GFT 121016 Gedanken für den Tag / Magdalena Miedl
Länge: 03:49 min

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