Gedanken für den Tag

3. November 2012, 06:56

Eines meiner Lieblingszitate lautet: Ich habe keine Zeit zu hetzen. Es stammt von Henry David Thoreau, einem berühmten amerikanischen Schriftsteller und Philosophen. Er lebte im 19. Jahrhundert in einer einsamen Blockhütte inmitten der Natur. Ganz anders als ich im Zentrum von Wien im 21. Jahrhundert. Dennoch halte ich seine Formulierung "Ich habe keine Zeit zu hetzen" für hoch aktuell.

Mein Begriff dafür lautet: Präsenz. Was meine ich damit? Für mich heißt Präsenz, im Jetzt zu sein, in einem höchstmöglichen Maße anwesend, gegenwärtig zu sein. Ich verstehe es als eine Fähigkeit und zugleich als eine Haltung, die es mir ermöglicht, im Augenblick zu leben. Etwas, das kleine Kinder noch ganz selbstverständlich tun. Um es wieder zu erlernen, gibt es viele altbewährte Übungswege: Gebet, Meditation, Yoga, Tai Chi und Gi Gong, um nur ein paar zu nennen.

Aber ich kenne auch viele kleine Tricks unter Anführungszeichen, wie ich im Alltag zu mehr Achtsamkeit gelangen kann. Ein ganz einfacher ist zum Beispiel, bewusst einen Schritt langsamer zu gehen. Entschleunigen. Nicht automatisch von einer Sache zur nächsten eilen, von einem Ort an den anderen, sondern sich ein kurzes Innehalten erlauben. "Wenn du es eilig hast, mache einen Umweg", so eine chinesische Weisheit. Präsenz zu üben, heißt, mir Zeit für mich zu nehmen - und sei es nur für drei tiefe Atemzüge. Bereits das bewusste langsame Aus- und Einatmen kann Wunder bewirken. Das Nervensystem beruhigt sich und damit auch der Geist, die Muskeln entspannen sich und die Stimmung hellt sich auf. Ich kann das noch verstärken, wenn ich mich daran erinnere: ich bin, ich lebe, ich habe einen Körper. Und wenn ich dafür auch noch danken kann, dann bin ich präsent, im Jetzt.

Service

Buch, Anita Natmeßnig, "Was zählt, ist dieser Augenblick. Leben lernen im Hospiz", Herder Verlag

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