Zwischenruf

von Landessuperintendent Thomas Hennefeld (Wien)

Zwischenruf 30.12.2012
von Landessuperintendent Thomas Hennefeld (Wien)


Im Jahr 2013 feiern reformierte Kirchen weltweit "450 Jahre Heidelberger Katechismus." Dieses Glaubens-, Schul-, und Gebetsbuch wurde als Bekenntnisschrift, wie schon der Name sagt, in Heidelberg herausgegeben. Und es finden sich darin, 450 Jahre später, noch immer hochbrisante Aussagen.

In einem Abschnitt werden die Zehn Gebote ausgelegt, und da heißt es zum, nach reformierter Zählung, 8. Gebot: "Gott verbietet nicht nur Diebstahl und Raub, die nach staatlichem Recht bestraft werden. Er nennt Diebstahl auch alle Schliche und betrügerische Handlungen, womit wir versuchen, unseres Nächsten Gut an uns zu bringen, sei es mit Gewalt oder mit einem Schein des Rechts: mit falschem Gewicht und Maß, schlechter Ware, gefälschtem Geld und Wucher oder mit irgendeinem Mittel, das von Gott verboten ist. Er verbietet auch allen Geiz und alle Verschwendung seiner Gaben."

Also der Katechismus spricht nicht nur über geistliche Angelegenheiten wie Gnade und Buße, Sünde und Vergebung. Er spricht auch über ganz weltliche Dinge, wie den Umgang mit Geld und Waren, mit Dingen, mit denen wir es täglich zu tun haben. Und nicht nur für Christen, für keinen ethisch denkenden Menschen ist es egal, wie er mit seinem Geld umgeht, wofür er es ausgibt und wie er es anlegt.

Es sollte uns nicht egal sein, ob Kinder in einer indischen Fabrik verbrennen wegen unzureichender Sicherheitsvorkehrungen, damit wir in Europa billige T-Shirts kaufen können. Es sollte uns auch nicht kalt lassen, wenn europäische Firmen in Mosambik große Baumplantagen anlegen und damit die kleinbäuerlichen Gemeinschaften zerstören.

Geiz ist nicht geil, sondern Geiz trübt unsere Sinne und ist, theologisch gesprochen, Sünde gegen Gott, genauso wie Verschwendungssucht. Geld soll nach dem Heidelberger Katechismus ein Mittel sein, um der ganzen Gesellschaft zu dienen, einen Ausgleich zu schaffen statt ein Gefälle zu beschleunigen. Was nur angehäuft wird und nur wenigen dient bezeichnet der Heidelberger Katechismus als Raub, wie das übrigens zuvor schon Martin Luther getan hat mit den Worten: "Was nicht im Dienst steht, steht im Raub." So gesehen ist die Zerschlagung eines funktionierenden Unternehmens einzig um des Profits Willens genauso ein Verbrechen wie der Überfall auf eine Bank oder auf ein Juweliergeschäft.

Der Heidelberger Katechismus meint, dass es sich bei den Fragen der Wirtschaft auch um religiöse Fragen handelt und sich Christen dort einmischen sollen, wo es um das Wohl und die Würde des Menschen geht. Diese Einmischung kann auch an den Wahlurnen geschehen. Und da bietet sich das kommende Superwahljahr geradezu an.

Nun wären die Kirchen schlecht beraten, sich in parteipolitisches Hickhack hineinziehen zu lassen, aber sie sollen sehr wohl klar aussprechen und kommunizieren, wofür sie stehen, für welche Werte und welche Visionen in der Gesellschaft. Und auf Grund der Parteiprogramme können ja die Menschen vergleichen, wie was zusammenpasst. Dabei ist es ist zu wenig, sich nur gegen Korruption und Misswirtschaft auszusprechen anstatt das Übel an der Wurzel zu packen.

Für die Reformatoren und auch heute noch für Evangelische ist Freiheit ein besonders hohes Gut, aber der Segen der Freiheit kann sich in einen Fluch verwandeln, wenn sie ohne Verantwortung gelebt wird und dem anderen dieses Gut der Freiheit nicht zusteht. Und so braucht es Regulierungen, Kontrollen, Einschränkungen, damit nicht die einen auf Kosten der anderen leben.

Mögen Sie in das neue Jahr möglichst frei und unbeschwert gehen und gleichzeitig im Bewusstsein, dass Sie auch ein Teil des Ganzen sind und dafür auch Mitverantwortung tragen, damit ein gedeihliches Leben für alle möglich wird. So wünsche ich Ihnen ein frohes, gesundes und gesegnetes Jahr 2013.

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