Zwischenruf

von Landessuperintendent Thomas Hennefeld (Wien)

Am 15. März 1938 wurde der sogenannte Führer des Deutschen Reiches unter dem Jubel zehntausender Österreicherinnen und Österreich auf dem Wiener Heldenplatz in Empfang genommen. Gar nicht wenige evangelische Pfarrer und ganze Gemeinden - die Gemeindeblätter nach dem sog. Anschluss bezeugen das in erschreckender Weise - feierten den größenwahnsinnigen Diktator wie den wiedergekommenen Messias.
Im Zuge des Gedenkens an dieses dunkle Kapitel österreichischer Geschichte wurden Menschen zur Einschätzung der damaligen Ereignisse und auch zur heutigen Politik befragt. Danach wünschen sich mehr als 60% der Befragten einen starken Mann an der Spitze des Landes. Unter diesen findet sich ein erheblicher Prozentsatz, der der Hitlerzeit auch positive Aspekte abgewinnen kann.

Selbst wenn solche Umfragen mit Vorsicht zu genießen sind, so spiegeln sie doch eine Haltung, die auch in den letzten Jahrzehnten immer wieder in unserem Land zum Vorschein kam: Ein starker Mann muss her, einer der - so heißt es - für Recht und Ordnung sorgt und den vermeintlichen Saustall ausmistet.
Kaum jemand wird sich für unser Land diktatorische Verhältnisse wünschen. Und nach einem neuen Hitler sehnen sich nur Altnazis und hartgesottene Neonazis. Aber angenommen es käme jemand, smart, eloquent, charismatisch und populistisch, wahrscheinlich würden gar nicht wenige Menschen ein Auge zudrücken, wenn das eine oder andere demokratische Grundrecht aufgehoben würde, so eine gemäßigte Diktatur, wie sie, so kann man seinen Worten entnehmen, dem Extremsportler und Überschallspringer Felix Baumgartner vorschwebt.

Die Sehnsucht nach einem Mann, der dreinschlägt und gleichzeitig die Feinde unschädlich macht, gab es schon zur Zeit Jesu. Eine Menge Leute waren von Jesus enttäuscht, weil er diese Wünsche nicht erfüllt hatte. Diese unheroische Haltung hat ihm laut biblischem Bericht die "Kreuziget-ihn" Rufe vor dem Palast des Pilatus eingebracht.
Christinnen und Christen gehen in jedem Fall in die Irre, wenn sie nach einem starken Mann oder auch einer starken Frau rufen, egal ob es ein geistlicher oder weltlicher Führer ist. So ein starker Führer ist im Evangelium nicht vorgesehen.
Stark war Jesus schon, aber auf eine ganz andere Art. Er setzte mit seinem Verhalten und seiner Botschaft einen Kontrapunkt gegen alle herrschenden Mächte und Gesetze.
Heute feiert die westliche Christenheit das Osterfest. Und das ist deshalb so ein befreiendes Fest, weil es bestehende Denkmuster überwindet, ja selbst den Tod und alles Todbringende hinter sich lässt. Dieser Jesus will sich nicht gegen einen anderen durchsetzen, denkt nicht in den Kategorien von Freund und Feind, von Untat und Vergeltung, sondern lebt und stirbt aus der Zuneigung, ja Hingabe zu seinen Mitmenschen, ja zur ganzen Welt.
Seine Auferstehung bringt gerade denen Hoffnung, die unter rücksichtslosen Führern und todbringenden Systemen zu leiden haben mit den bekannten Folgen von Krieg, Gewalt, Hunger und Elend.

In der theologischen Erklärung von Barmen, einem 1934 veröffentlichten Bekenntnis evangelischer Pfarrer gegen die Gleichschaltung von Kirche und Nationalsozialismus heißt es: Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen."

Christinnen und Christen leben in dieser Gesellschaft, ja sind ein Teil von ihr, und leben gleichzeitig aus der Kraft der Auferstehung und damit immer auch mit der Hoffnung, dass es eine Alternative zu bestehenden Ordnungen und Gesetzen gibt. Und der einzige, dem sie dabei folgen, ist der Gekreuzigte und Auferstandene, der Ohnmächtige und bedingungslos Liebende.

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