Gedanken für den Tag

von Peter Paul Kaspar, Musiker, Schriftsteller und Künstler/innenseelsorger. Das Hochamt der Kunst - Zum 200. Geburtstag von Richard Wagner

Es gibt kaum einen Bereich im musikalischen Klassik-Sektor, der derart polarisiert wie die Opern Richard Wagners. Es gibt auch außerhalb von Bayreuth keinen Aufführungsort, kein Konzert- oder Opernhaus nur für die Werke eines einzigen Komponisten. Auch im Mozarteum wird nicht nur Mozart gespielt. Die Monomanie in der Geschichte der Wagnerianer betrifft allerdings nicht die professionellen Musiker, oder die Dirigenten, sondern die Fans. Man mag das als eine sektenähnliche Obsession eines Teils der Musikwelt sehen: mit einer faszinierenden, aber auch mit einer problematischen Seite.

Was hat Richard Wagner, das die anderen nicht haben? So möchte man fragen, wenn man monomanische Wagnerianer kennen lernt. Es gibt ja auch keine Mozartianer oder Schubertianer. Manchen scheint Wagner so etwas wie ein Religionsstifter zu sein, wie ein Parteigründer. Spötter sprechen sogar von einer Vergottung Wagners durch die Wagnerianer nach dem Motto: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben! Kritiker solch einseitiger Wagnerverehrung huldigen hingegen einem musikalischen Polytheismus mit großen und kleinen, alten und neuen, auf jeden Fall vielen musikalischen Gottheiten.

Tatsächlich stand Wagners Persönlichkeit, sein Sendungsbewusstsein und sein unbändiger Selbstvermarktungswille am Beginn dieser in der Musikgeschichte einzigartigen Bewegung, die noch immer alljährlich Hochamt und Höhepunkt in Bayreuth feiert. Tatsächlich kennzeichnet Wagners Werk etwas, das man heute ein Alleinstellungsmerkmal nennen könnte. Seine Musik ist ein Bekenntnis - im Sinne heutiger Patchworkreligionen: ein Glaubensbekenntnis. Erlösung durch Kunst, in der sich unsere Wünsche und Obsessionen, unser Sehnsüchte und Ängste, unsere Lüste und Qualen spiegeln.

Erlösung schon - aber: wovon? Nur das Mittel ist klar: Erlösung durch Kunst. Das macht den Künstler zum Priester - oder zum Scharlatan. Doch, so frage ich, sollte Kunst nicht zweckfrei sein?

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Sendereihe

Playlist

Bearbeiter/Bearbeiterin: Lorin Maazel
Komponist/Komponistin: Richard Wagner/1813 - 1883
Album: "Der Ring ohne Worte" - Orchesterhöhepunkte aus dem Ring des Nibelungen
* 15. Wir sehen die Morgenröte wachsen um Siegfrieds und Brünnhildens Leidenschaft - aus dem 1.Akt (00:07:06)
Titel: Götterdämmerung / Orchesterquerschnitt
Orchester: Berliner Philharmoniker
Leitung: Lorin Maazel
Länge: 02:00 min
Label: Telarc 80154

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