Da capo: Im Gespräch

"Ich bin beim Schreiben glücklich". Michael Kerbler spricht mit dem Schriftsteller
Bernhard Schlink

"Der erste Satz eines Romans muss für mich so sein, wie ein starker Nagel. Er muss die ganze nachfolgende Geschichte tragen" - dieser Überzeugung ist der Dichter Christoph Ransmayr. Diesem Prinzip fühlt sich auch der Schriftsteller Bernhard Schlink verpflichtet. Schlinks erste Sätze sind stark, ja müssen tragkräftig sein, denn die Geschichten, die diesen ersten Sätzen folgen, wiegen schwer. Es sind Lebensgeschichten. Bernhard Schlinks "erste Sätze" zeichnen sich durch ihre Kürze aus. Der "Vorleser" etwa - ein Roman der schon vor seiner Verfilmung Weltgeltung erlangt hatte - beginnt mit folgendem Satz: "Als ich fünfzehn war, hatte ich Gelbsucht." Aber auch die Sätze, die - pointilistisch fast - vom Schriftsteller in seinen Romanen und Erzählungen nebeneinander gesetzt werden und schließlich ein facettenreiches Bild ergeben, sind kurz, prägnant, schnörkellos. Dort wo sich Sprachstil, Wortrhythmus und Ausdrucksart spürbar verändern, dürfen allerdings Passagen vermutet werden, die dem Autor wichtig sind. Etwa in jenem Abschnitt des "Vorlesers", wo der Erzähler über vergangenes Glück notiert: "Manchmal hält die Erinnerung dem Glück schon dann die Treue nicht, wenn das Ende schmerzlich war." "Der Vorleser" wurde in 39 Sprachen übersetzt und 2008 mit Kate Winslet, Ralph Fiennes und David Kross in den Hauptrollen verfilmt. Der Erfolg habe ihn aber, so Schlink, nicht verändert. "Ich war zu alt, als dass die neue Rolle mein Leben entscheidend hätte verändern können." Und er fügt hinzu: "Ich bin beim Schreiben glücklich, mag der Erfolg sein, wie er will." Schlinks Romane und Erzählungen sind - im positiven Wortsinn - Zu-Mutungen. Denn das Lesen seiner Romane oder Erzählungen öffnet den Blick auf andere - aber auch auf einen selbst. Und so können die sieben Episoden in seinem Buch "Sommerlügen" ein großes Versprechen einlösen, wenn man sich auf die Ereignisse - wissend es handelt sich um Fiktion - einlässt: lesen hilft leben. Übrigens: Bernhard Schlink feiert am 6.Juli seinen 69. Geburtstag.

Service

Bernhard Schlink, "Sommerlügen", Diogenes-Verlag, Zürich

Bernhard Schlink, "Der Vorleser", Diogenes-Verlag, Zürich

Bernhard Schlink, "Das Wochenende", Diogenes-Verlag, Zürich

Bernhard Schlink, "Vergangenheitsschuld: Beiträge zu einem deutschen Thema", Diogenes-Verlag, Zürich

Bernhard Schlink, "Vergewisserungen. Über Politik, Recht, Schreiben und Glauben", Diogenes-Verlag, Zürich

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